Kampf um der Kaiserin Knochen

Editha-Fund wird Politikum und belebt Rivalität von Halle und Magdeburg

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Editha soll noch 2009 nach Magdeburg zurückkehren – mit dieser Botschaft sucht Sachsen-Anhalts Kultusministerium den Streit um einen archäologischen Sensationsfund zu befrieden, der zum Politikum wurde.

Eine der touristischen Attraktionen Venedigs verdankt die Stadt einem kriminellen Akt. Im sechsten Jahrhundert raubten Seefahrer einige Reliquien des heiligen Markus aus Alexandria und entführten sie in die Lagunenstadt, die nun mit dem Markusdom brilliert und deren Wappen der Markuslöwe ist.

In Magdeburg zieht man derzeit Parallelen zum dreisten Grabraub aus dem Mittelalter. Anlass ist der Umgang mit einem spektakulären Fund, auf den Archäologen im November im Dom zu Magdeburg stießen. Die Wissenschaftler um den Landesarchäologen Harald Meller entdeckten einen Bleisarg, in dem wohl die sterblichen Überreste von Editha, Gemahlin des ersten deutschen Kaisers Otto, bestattet wurden. Das wäre Grund zur Freude: Editha, die Magdeburg von Otto als Geschenk erhielt und als äußerst mildtätig galt, wird in der Stadt hoch verehrt.

Von Jubel ist aber nichts zu spüren; vielmehr kocht die Volksseele, wie übervolle Leserbrief-Seiten in der »Magdeburger Volksstimme« belegen. Für heiligen Furor sorgt der Umstand, dass Meller den Sarg nach Halle überführen ließ – aus wissenschaftlichen Gründen und wegen besserer Arbeitsbedingungen im Landesmuseum für Vorgeschichte, wie er betont. Dagegen vermuten die Magdeburger eine Art Trophäenjagd, mit der das Ansehen Halles gestärkt werden soll.

Verwiesen wird auf die Tatsache, dass auch die Himmelsscheibe von Nebra, eine im Süden Sachsen-Anhalts gefundene frühe Sternenkarte, in Halle liegt, während im eigens gebauten Museum »Arche Nebra« eine Kopie zu sehen ist. Landesarchäologe Meller wird nun in einem Atemzug mit Heinrich Schliemann genannt, der den Schatz von Troja nach Berlin holte.

Angestachelt wurden die Vergleiche durch ausgesprochen ungeschicktes Vorgehen der Wissenschaftler. So erfuhr Magdeburgs Rathauschef Lutz Trümper aus der Zeitung vom Fund und dessen Präsentation in Halle. Wegen solcher Pannen wird sich nun sogar der Kulturausschuss des Landtags mit dem Fall befassen. Es habe »jedes Feingefühl gefehlt«, wettert Stefan Gebhardt (LINKE), der eine »Form von Kulturpiraterie« sieht.

Befeuert wird der Zwist um die Gebeine durch traditionelle Animositäten zwischen Magdeburg und Halle. Im Internet wird nicht nur auf die Abstimmung zur Landeshauptstadt 1990 verwiesen, als Halle knapp unterlag; es werden auch böse Vorurteile gepflegt. Eine Kommunalpolitikerin aus Magdeburg klagt, man habe sich »immer bemüht«, keine Neiddebatte zwischen den Städten aufkommen zu lassen; das Land aber stehe wohl nicht zur Gleichbehandlung.

Die Regierung bemüht sich nun um Schadensbegrenzung. Im Kultusministerium wurden gestern ein »Masterplan« zum weiteren Umgang mit Edithas sterblichen Überresten beraten und eine Projektgruppe gegründet. Man sei sich einig, dass die Gebeine »auf alle Fälle wieder beigesetzt« würden, sagte eine Sprecherin – im Magdeburger Dom und möglichst noch in dessen derzeit gefeiertem 800. Jubiläumsjahr. Auch der Bleisarg solle später in der Landeshauptstadt präsentiert werden. Ein »Komitee zur Befreiung von Editha«, wie es im Internet bereits gefordert wird, scheint also vorerst unnötig.

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