Ballett-Ikone des Bolschoi

In der Akademie der Künste eröffnet die Ausstellung »Maja Plissezkaja – Eine Révérence«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.
Als »Sterbender Schwan«
Als »Sterbender Schwan«

Wer Maja Plissezkaja als »Sterbenden Schwan« gesehen hat, war des Staunens voll, wie Arme von knochenloser Geschmeidigkeit tatsächlich die Illusion steten Flügelschlags heraufbeschwören können. Dass sie dabei dem Phänomen Tod auch über technische Perfektion hinaus berührend Gestalt zu geben wusste, erhob diese Petitesse zu einem Kleinod von stilistisch erlesener Feinheit.

Doch »Plissi«, wie Freunde sie nannten, konnte auch anders. Als Titelheldin in der 1967 uraufgeführten »Carmen-Suite« durfte sie ihr dramatisches Schauspieltalent ausleben. Selbst vorgerückten Alters, beim Gastspiel in Berlin, überzeugte sie noch immer als aristokratische Figur von starker Selbstbehauptung. Erst mit über 70 sagte sie der Bühne Valet.

Den zahllosen Ehrungen der Primaballerina Assoluta in der Nachfolge von Galina Ulanowa fügt die Akademie der Künste nun eine weitere hinzu. In der Reihe »Politische Körper« erweist sie mit Ausstellung und Rahmenprogramm »Maja Plissezkaja – Eine Révérence«. Wie mutig die Starballerina des Moskauer Bolschoi-Balletts 50 Jahre lang versucht hat, künstlerisch das Tor ins Heute aufzustoßen, macht sie mindestens zur kunstpolitischen Figur.

Mit Politik kam die 1925 zu Moskau in die Tanzdynastie der Messerer Hineingeborene früh in Berührung: Während des Studiums an der Ballettschule des Bolschoi, dort auch bei der legendären Jelisaweta Gerdt, ließ Stalin ihren Vater erschießen, die Mutter nach Kasachstan verbannen. 1943 wird sie in die berühmte Compagnie engagiert, tanzt 1945 bereits die Raymonda, legt bis zum Abschied 1990 eine singuläre Karriere hin. Da galt sie längst weltweit als eine der raren Ballett-Ikonen, hatte nahezu alle großen Partien im Repertoire, manchen unverwechselbares Profil verliehen. Als Odette/Odile in »Schwanensee«, Sarema in der Puschkin-Adaption »Die Fontäne von Bachtschissarai«, Kitri in »Don Quixote«, Phrygia in »Spartakus« feierte sie ebenso Triumphe wie als Herrin des Kupferbergs in »Die steinerne Blume«. Bitter war sicher, dass sie zu Stalins 70. Geburtstag für den Diktator tanzen musste.

Zur prägenden Gestalt wurde ihr Ehemann Rodion Schtschedrin, der nicht nur die Musik der »Carmen-Suite« arrangierte, sondern ihr auch die Kompositionen zu eigenen Choreografien nach russischer Literatur schrieb: 1972 »Anna Karenina«, 1980 »Die Möwe«. »Die Dame mit dem Hündchen« schuf sie 1984 – bereits als Ballettdirektorin in Rom. Dieser Stelle folgte dieselbe Funktion in Madrid. Da hatte sich die Plissezkaja schon Choreografien von Roland Petit, besonders aber von Maurice Béjart anfertigen lassen: »Isadora« in Monte Carlo, »Leda« in Paris, zuletzt 2000 »Ave Maya« für ihre Jubiläumsgala in Moskau. Bereits 1975 durchbrach sie als Hauptgestalt in Béjarts »Boléro« die klassische Phalanx. Auch wenn ihre choreografischen Versuche nicht unumstritten blieben, hat sie doch als Ballerina nachwirkende Leuchtspuren hinterlassen.

Ihnen fahndet in mehreren Segmenten anhand von Manuskripten, Programmheften, Fotos, Filmen und Kostümen die Akademieausstellung nach und kann sich dabei auf das 2006 im Haus eingerichtete Maja-Plissezkaja-Archiv stützen. Zur Eröffnung am heutigen 19. Februar um 19 Uhr spricht die Grande Dame mit Martin Puttke über ihren Werdegang und wird später auch mit Studenten der Staatlichen Ballettschule Berlin arbeiten.

20.2.-5.4., Di.-So. 11-20 Uhr, Eröffnung 19.2., 19 Uhr, Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, Charlottenburg, www.adk.de

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