Überwachungsdruck

  • Dominic Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor ist Koordinator der Arbeitsgruppe Freiheits- und BürgerInnenrechte der Partei der Europäischen Linken.
Der Autor ist Koordinator der Arbeitsgruppe Freiheits- und BürgerInnenrechte der Partei der Europäischen Linken.

Unbemannte Drohnen filmen Grenzverläufe in Nordafrika, Millionen Antragsteller für Visa werden erkennungsdienstlich behandelt, persönliche Daten auf Jahre gespeichert, der Zugang in die EU erfolgt durch Augen-Scan, Geheimdienste und Polizeibehörden kontrollieren Internet und Flugbewegungen. Geht es nach den Vorstellungen der EU-Innenminister, werden diese Szenarien bald Realität.

Seit dem Vertrag von Maastricht schreitet die europäische Integration auch in der Innen- und Justizpolitik fort. Und kaum ein anderes Politikfeld wird derart stark durch die Mitgliedstaaten der EU instrumentalisiert. Der Überwachungsdruck in der EU wächst, denn die Regierenden brauchen die Friedhofsruhe nach innen, um den neoliberalen Angriff auf die sozialen Sicherungssysteme geräuschlos fortzuführen.

Mit den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni läuft auch das Haager Programm aus. Es bestimmte für die vergangenen fünf Jahre Wege und Ziele einer europaweiten Innen- und Justizpolitik. Zu den Ergebnissen gehören der Austausch von Fluggastdaten mit den USA, der Ausbau des Schengener Informationssystems und die Gründung der Grenzschutzagentur FRONTEX. Dem Grundrechteschutz oder dem Datenschutz räumte das Fünfjahresprogramm kaum Platz ein. Die EU-Innenminister haben diese Punkte gleich gar nicht aufgegriffen.

Stattdessen wurden, dank Schily & Schäuble, erfolgreich politisch brisante Entscheidungen – wie die Speicherung von Telekommunikationsdaten für sechs Monate auf Vorrat – über die europäische Bande in den Nationalstaaten durchgesetzt. Passender Nebeneffekt: Regt sich Widerstand unter den Bürgerinnen und Bürgern, in Gewerkschaften und nationalen Parlamenten, kann man mit dem Finger auf die EU zeigen. Ähnliches ist derzeit beim Ausbau von FRONTEX zu beobachten.

Der Ausbau der Festung Europa, die Militarisierung der Innenpolitik, die Aufhebung der Trennung von Polizei und Geheimdiensten wird auf EU-Ebene maßgeblich durch die Mitgliedstaaten, vor allem aber durch Deutschland und Italien, vorangetrieben. Die richtige Forderung nach der sofortigen Auflösung der Grenzschutzagentur FRONTEX darf demnach nicht nur auf europäischer, sondern muss auch auf nationaler Ebene erhoben werden.

Derzeit arbeiten die Innenminister an einem Post-Haager-Programm, das Europäische Parlament ist dabei nur Zuschauer. Und so soll Ende 2009 beispielsweise das Visa-Informationssystem arbeitsfähig sein, in dem biometrische Daten von Antragstellern auf Jahre gespeichert und durch Geheimdienste aller Art ausgelesen werden können. Zur Jagd auf Flüchtlinge, wie auch zur Kontrolle von Bürgerinnen und Bürgern werden nahezu alle technisch möglichen Instrumente herangezogen. Sprachlich wird dies mit Schlagworten wie »Verfügbarkeitsgrundsatz« oder »Interoperabilität« verschleiert.

Demokratisch-sozialistische Politik darf aber bei der Ablehnung all dieser Repressionsmaßnahmen nicht Halt machen. Sozialistische Politik muss den Zusammenhang zwischen Sozialabbau und der Negierung von Freiheitsrechten aufzeigen. Die Herausforderungen für die Linksfraktion im EU-Parlament in den kommenden fünf Jahren werden deshalb vor allem in der Verteidigung von Sozial- und Freiheitsrechten sowie im Abriss der Mauern in und um Europa liegen.

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