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Mit Zuckerbrot und Peitsche

Frankreichs Präsident bequemt sich zu kleineren sozialen Zugeständnissen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Drei Wochen nach einem landesweiten Protesttag hat die französische Regierung Hilfen für die Opfer der Wirtschaftskrise zugesagt.

Auf einem »Sozialgipeltreffen« mit den Gewerkschaften und Unternehmerverbänden hat Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy Sonderzuwendungen in Höhe von 2,6 Milliarden Euro für die von der Krise am härtesten betroffenen Bevölkerungsgruppen angekündigt. Zugleich beharrte er darauf, dass es keine Abstriche bei den geplanten, oft einschneidenden Reformen für den Öffentlichen Dienst, das Arbeitsrecht, das Schul- und Gesundheitswesen oder die Forschung geben werde.

In einer Fernsehansprache im Anschluss an den Gipfel rief Sarkozy die Franzosen zu »noch größeren Anstrengungen« auf. Im Kern seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik stehe die »Aufwertung der Arbeit«, betonte der Präsident, der aber eine Anhebung des Mindestlohns SMIC ablehnte, weil dies eine »zu starke Belastung für die kleinen und mittleren Unternehmen« wäre. Zu den angekündigten Maßnahmen gehört, dass Beschäftigte, die wegen der Krise kurzarbeiten müssen, für die ausgefallene Arbeitszeit künftig 75 Prozent des Bruttolohns erhalten statt bisher 60 Prozent. Für Umschulungen und andere flankierende Maßnahmen soll ein staatlicher »Sozialfonds« mit 2,5 bis 3 Milliarden Euro gebildet werden, an dessen Verwaltung die Gewerkschaften beteiligt werden. Beschäftigte, die ihren Arbeitsplatz verlieren und keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, aber mindestens zwei Monate gearbeitet haben, erhalten eine einmalige Zuwendung von 500 Euro. Den vier Millionen Haushalten, die zur untersten Steuergruppe gehören, wird in diesem Jahr die Zahlung von zwei Dritteln der Einkommensteuer erlassen, im Schnitt 200 Euro. Die Beihilfe zum Schuljahresbeginn im September für Familien mit Schulkindern wird in diesem Jahr um 150 Euro aufgestockt. Rund 1,2 Millionen Familien dürften in den Genuss von »Leistungsgutscheinen« in Höhe von 200 Euro kommen, die für die Bezahlung von Haushaltshilfen, Babysittern oder für die Betreuung von Alten und Behinderten eingelöst werden können.

Unternehmen, die Entlassungen vornehmen oder kurzarbeiten lassen, sollen auf Bonuszahlungen für ihre leitenden Manager verzichten. Andernfalls, mahnte der Präsident, werde es entsprechende gesetzliche Vorschriften geben. Die Banken forderte der Präsident auf, für Kunden, die von Kurzarbeit betroffen sind, die Rückzahlung von Immobilienkrediten auszusetzen.

Die Gewerkschaften sind indes enttäuscht über die »bruchstückhaften« Maßnahmen der Regierung. Der CGT-Vorsitzende Bernard Thibault kritisierte, dass so »die Krise lediglich sozial abgefedert und nicht mit energischen Maßnahmen bekämpft« werde. Jean-Claude Mailly, Vorsitzender der Gewerkschaft Force ouvrière, begrüßte, dass sich »die Regierung bewegt«. Allerdings würden die sozialen Maßnahmen mit der Gießkanne verteilt und drohten so, ohne große Wirkung zu versickern.

Für Benoît Hamon von der Sozialistischen Partei sind die angekündigten Schritte »bei Weitem nicht auf der Höhe der Herausforderungen durch die Krise«. Jean-Luc Mélenchon, Vorsitzender der Partei der Linken, nannte es bezeichnend, dass die Rechtsregierung »nur 2,6 Milliarden Euro für soziale Maßnahmen bereitstellen will, während sie den Banken 360 Milliarden und den Industriekonzernen 26 Milliarden zuschanzt«.

Kommentatoren machten darauf aufmerksam, dass die Sozialmaßnahmen vor allem der unteren Mittelschicht zugute kommen, die bei den Präsidentschaftswahlen 2007 massiv für Sarkozy stimmten, aber inzwischen besonders enttäuscht sind. Und die Gewerkschaften gehen davon aus, dass sich die Regierung nicht einmal zu den jetzt angekündigten Maßnahmen bequemt hätte, wenn nicht der Aktionstag vom 29. Januar den Grad der Unzufriedenheit und Kampfbereitschaft deutlich gemacht hätte. Sie rufen daher die Franzosen auf, sich massiv am nächsten nationalen Streik- und Aktionstag am 19. März zu beteiligen.

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