Merkel sieht keinen Zeitdruck bei Steinbach

Offener Streit mit Außenminister Steinmeier

  • Lesedauer: 2 Min.
Der Konflikt über die geplante Vertriebenen-Gedenkstätte hat zu offenem Streit zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Außenminister Frank-Walter Steinmeier geführt.

Berlin (Agenturen/ND). Merkel lehnte am Montag die Forderung des SPD-Kanzlerkandidaten Steinmeier ab, über die Zusammensetzung des Stiftungsrats für die Gedenkstätte rasch zu entscheiden. In dieser Frage gebe es weiterhin »keinen Zeitdruck«, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. Strittig ist, ob Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach einen Platz in dem Gremium bekommt.

Die SPD will sich nicht damit abfinden, dass die Entscheidung bis zur Bundestagswahl im September vertagt wird. Außenminister Steinmeier befürchtet dadurch eine anhaltende Belastung der deutsch-polnischen Beziehungen. Auch FDP-Chef Guido Westerwelle drängte Merkel zu einer raschen Lösung. »Es liegt nicht im deutschen Interesse, die Diskussion über Erika Steinbach weiter treiben zu lassen«, sagte Westerwelle der dpa. Die Debatte sei jetzt schon zu einer »Belastung« für das Verhältnis zu Polen geworden.

Auch die LINKE und die Grünen lehnen Steinbach ab. Die LINKE machte die Bundesregierung für das »unwürdige Schauspiel« um die Stiftung verantwortlich. Von vornherein sei dem Bund der Vertriebenen ein »Übergewicht« im Stiftungsrat zugestanden worden, erklärte die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Luc Jochimsen. »Die Bundesregierung hat die Geister gerufen, die sie nun nicht los wird«, kritisierte sie. Ohne Änderung des Gesetzentwurfes drohe eine »unendliche Fortsetzung des Schauspiels mit allen negativen Konsequenzen für den Auftrag der Stiftung«.

Die Grünen forderten erneut einen Verzicht Steinbachs auf den Posten und riefen die Kanzlerin auf, eine Entscheidung zu treffen. Merkel dürfe »die Angelegenheit nicht weiter schleifen lassen«, erklärte Grünen-Chefin Claudia Roth. »Die deutsch-polnischen Beziehungen sind ein zu hohes Gut, um sie zum Spielball der Vertriebenenfunktionäre zu machen«, mahnte sie.

Vize-Regierungssprecher Steg bekräftigte hingegen, aus Sicht der Kanzlerin gebe es noch »keine Notwendigkeit, sich festzulegen«. Merkel habe das Interview, in dem Steinmeier am Wochenende eine baldige Entscheidung verlangt hatte, »zur Kenntnis genommen«. »Ihre Einschätzung hat sich nicht verändert.«

Das geplante Zentrum gegen Vertreibungen belastet schon seit Jahren das Verhältnis zum Nachbarn Polen. Im Stiftungsrat der Bundesstiftung »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« soll der Bund der Vertriebenen (BdV) drei Sitze bekommen. Für einen der Plätze hat der Verband seine Präsidentin Steinbach nominiert, die auch für die CDU im Bundestag sitzt. Gegen die BdV-Chefin gibt es in Polen über alle politischen Lager hinweg massiven Widerstand.

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