Vom Bankrotteur zum Musterkind?

Northern Rock Bank vergibt wieder Hypotheken – Hoffnung auf Wende

  • Lesedauer: 3 Min.
Von Anna van Ommen, London

Das erste Opfer der Bankenkrise wurde im Februar 2008 verstaatlicht. Ein Jahr und viele Steuermilliarden später öffnet die Northern Rock Bank wieder ihre Kassen. Damit soll der Motor der angeschlagenen Immobilienwirtschaft angeworfen werden.

Als die Regierung im September 2007 ein Hilfegesuch von der Northern Rock Bank erhielt, begann ein Ansturm auf die britische Bank. In drei Tagen hoben Sparer rund drei Milliarden Pfund (3,4 Milliarden Euro) ab. Ein halbes Jahr später befand sich die Bank in Staatshand. Kosten für den Steuerzahler: 27 Milliarden Pfund.

Die jetzige Ankündigung der Regierung, Northern Rock werde wieder Kredite vergeben, wird als ein Wendepunkt in der Misere gesehen. Ein Vertreter des Finanzministeriums gab an, Northern Rock werde in den nächsten zwei Jahren Kredite im Wert von 14 Milliarden Pfund gewähren. Dabei hatte die Bank als Teil des Sanierungspakets seit ihrer Verstaatlichung zunächst keine neuen Kredite mehr angeboten. Mit der Quasi-Schließung des Hypothekengeschäfts wollte die Bank ihre Bilanz ausgleichen. Inzwischen hat sie 18 Milliarden Pfund zurückgezahlt. Und wird wieder gebraucht. Finanzminister Alistair Darling: »Aufgrund der Probleme im Hypothekenmarkt ist es für Northern Rock ratsam, das Kreditgeschäft aufrechtzuerhalten anstatt es zurückzufahren.«

Justin Urquhart Stewart von Seven Investment Management begrüßte die Pläne: »Die Bank hat sich im Stillen neu gruppiert und kann jetzt – möglicherweise als langweiligste Bank der Welt – in den Markt zurückkehren und als Muster für andere Kreditinstitute dienen.« Vor allem für Neueinsteiger wird der Erwerb eines Hauses erleichtert. Ein entscheidender Faktor für die britische Wirtschaft: Ein ständiger Nachschub neuer Käufer hatte den Immobilienmarkt jahrelang in Schwung gehalten.

Dass die Immobilienblase dann platzte, daran ist Northern Rock nicht ganz unschuldig. Die ehemalige Bausparkasse hatte sich mit Ramschhypotheken in den USA übernommen und finanzierte sich zu 75 Prozent aus dem internationalen Geldmarkt. Als das Vertrauen sank, wurde Northern Rock rasant mitgerissen. Auf heimischem Boden vergab die Bank viele Darlehen an Immobilienkäufer ohne Eigenkapital und gewährte Kredite, die das Einkommen der Kunden um ein Vielfaches überstiegen.

Mit dem neuen Kreditangebot kehrt die Northern Rock zum traditionellen Bankenmodell zurück. Das Hypothekengeschäft wird dabei von anderen Aktivitäten getrennt. Die jüngsten Entwicklungen läuten allerdings nicht das Ende des spekulativen Bankengeschäfts in Großbritannien ein. Selbst Gordon Brown will schließlich am lukrativen Finanzplatz festhalten.

Unterdessen gibt es schlechte Nachrichten von Sorgenkind Nummer zwei: Die teilverstaatlichte Royal Bank of Scotland kündigte an, sie werde 20 000 Stellen streichen. Kürzlich gab sie ihren Jahresverlust für 2008 mit 24,1 Milliarden Pfund an. Bei einer Restrukturierung könnte auch eine so genannte »Bad Bank« für faule Kredite auf dem Plan stehen.

Während sich die Nachbarn noch vor solchen Maßnahmen scheuen, gehen den Briten allmählich die Optionen aus. Nach erfolglosen Leitzinssenkungen bis auf ein Prozent heißt die nächste Station »Quantitative Easing«: Mit dieser Form des modernen Gelddruckens will die Regierung durch den Ankauf von Wertpapieren durch die Zentralbanken wieder Liquidität in den Markt pumpen. Unterdessen kommt Zweifel an der Northern-Rock-Initiative auf: Es fragt sich, ob die Briten gewillt sind, in neue Eigenheime zu investieren. Die Preise purzeln weiterhin, da könnte sich das Warten lohnen.

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