Gespenstergeschichten zum Wahlkampf

Hubertus Knabe will mit seiner »Wahrheit über die Linke« Ängste schüren

  • Claus Dümde
  • Lesedauer: 4 Min.
»Honeckers Erben« heißt das jüngste Buch, das Hubertus Knabe, Direktor der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, geschrieben hat. So tituliert der Politologe die Linkspartei. Um Angst vor ihr zu schüren: »Zwanzig Jahre nach dem Ende des Kommunismus drängen die Erben der SED erneut an die Macht.«

Am Mittwoch meldete sich Thüringens CDU-Ministerpräsident Althaus nach seinem Skiunfall mit Todesfolge nun am heimischen Gartenzaun mit TV-Interviews zum Wahlkampf zurück. Auch sein Bevollmächtigter beim Bund, CDU-Staatssekretär Binkert, tat in Berlin das ihm Mögliche: Im großen Saal der Vertretung des Freistaats bot er Knabe nicht nur eine Bühne für verbale Rundumschläge gegen die LINKE, aber auch gegen allerlei Politiker der SPD und Gewerkschaftsfunktionäre. Der Beamte ergriff gleich noch getreulich Partei: »Herr Knabe sagt die Wahrheit«, befand Binkert, worauf sich der Vertreter des Verlags für »die reibungslose Kooperation« bedankte und die geladenen Gäste applaudierten.

»Wer das Buch gelesen hat, dem stehen die Haare zu Berge«, hieß es beim anschließenden Lobpreis des Werks, in den nicht nur ein Knabe als Stichwortgeber assistierender »Moderator«, sondern auch der Autor selbst, sogar ein Gedenkstättenmitarbeiter als »Fragesteller« aus dem Publikum einfielen. Knabe will Ahnungslosen oder Vergesslichen Angst vor den Linken machen. Schon im Vorwort. »Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus«, zitiert er den ersten Satz des Manifests von Marx und Engels aus dem Jahre 1848 und behauptet tatsächlich, er wäre heute in Deutschland »überraschend aktuell«. Die SED würde »– nach viermaliger Umbenennung – wieder an den Toren der Macht rütteln«.

Schlimmer noch: »Im Osten Deutschlands sitzen ehemalige SED-Kader schon seit Jahren wieder an den Schaltstellen und erklären die DDR als legitimen Versuch, eine vermeintlich bessere Gesellschaft aufzubauen.« Wegen der Wahlerfolge der LINKEN seien stabile Mehrheiten nur noch in Großen Koalitionen oder Drei-Parteien-Bündnissen erreichbar. Die würden »mit populistischen Forderungen« zudem »beständig unter Druck gesetzt, wider die ökonomische Vernunft auf Kosten künftiger Generationen soziale Wohltaten zu verteilen«.

Beweise für diese kruden Thesen? Natürlich keine. Zwar möchte Knabe mit Hunderten Fußnoten, seitenlangen Literatur- und Personenregistern den Anschein erwecken, hier handle es sich um ein wissenschaftliches Werk. Doch der Untertitel »Die Wahrheit über DIE LINKE« ist bloße Anmaßung. Die Mühe einer Beschreibung, geschweige denn Analyse der komplizierten, widersprüchlichen, zweifellos auch – von den verschiedensten Positionen – kritikwürdigen Entwicklung der SED/PDS zur gesamtdeutschen LINKEN macht sich Knabe nicht.

Der Rezensent des Deutschlandfunks befand, das Buch enthalte weder Enthüllungen, noch neue Fakten oder Quellen, die einen halbwegs aufmerksamen Zeitungsleser zu neuen Erkenntnissen über die Linkspartei brächten, sei eher ein »Munitionsdepot« für Diejenigen, die sich mit ihr in kommenden Wahlkämpfen nach Art der Roten-Socken-Kampagnen auseinandersetzen wollen.

Stimmt. Und dabei bedient sich Knabe außer bloßen Behauptungen der schon zitierten Art einer Geschichtsklitterung, die vor nichts zurückschreckt, übelster Denunziation und primitiver Diffamierung. So behauptet er, Rosa Luxemburg habe »energisch dafür gekämpft, die erste Demokratie auf deutschem Boden zu verhindern«, sie habe »den Bürgerkrieg gewollt« und habe ihre Ermordung »letztlich selbst verursacht«. Er behauptet, »dass die KPD selbst maßgeblich dazu beitrug, Hitler an die Macht zu bringen« und will ja wohl Kumpanei suggerieren, wenn er schreibt: »Ab den Juli-Wahlen 1932 verfügten NSDAP und KPD zusammen über die absolute Mehrheit im Reichstag und konnten dadurch jede demokratische Regierungsbildung blockieren.«

Die Befreiung Deutschlands von den nazistischen Massenmördern auch durch die Rote Armee ist für Knabe ein »grausamer Rachefeldzug«.

Oskar Lafontaine, den Knabe im Buch Zitate von Begrüßungsworten bei Honneckers Staatsbesuch in der BRD und obskurer Vermerke eines ZK-Abteilungsleiters als servil gegenüber Honecker hinzustellen versucht, nannte er dann bei der Buchpräsentation sogar dessen »Kumpan«. Seitenweise wiederholt er sattsam bekannte IM-Vorwürfe gegen Gregor Gysi, doch er flüchtet sich angesichts diverser Gerichtsurteile zu der Aussage, das alles sei ja keine Tatsachenbehauptung, sondern seine Überzeugung.

Und wie Knabe im Buch versuchte auch sein »Moderator« den Verkauf mit der Behauptung anzukurbeln, dem Buch drohe womöglich ein Verbot: »Jetzt können Sie es noch unzensiert und ungeschwärzt lesen.«

Es lohnt nicht.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal