Berlusconis Brückenschlag nach Sizilien

Italiens Regierungschef will als »größter Brückenbauer« in die Geschichte eingehen

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Brücke nach Sizilien. Mal wieder. Zum gefühlten 37. Mal tritt Silvio Berlusconi freudestrahlend vor die Presse und gibt bekannt: »Die Brücke über die Meerenge von Messina wird gebaut. Das Geld ist da. Nächstes Jahr werden wir den Grundstein legen.«

In deutschen Zeitungen gelangt diese Ankündigung bisweilen gar auf Titelseiten. In Italien vermerken sie selbst berlusconitreue Medien meistens unter »ferner liefen«. Eigentlich ist schon alles gesagt: Die Befürworter haben schon so oft geklatscht, dass ihnen die Hände weh tun. Und die Gegner haben ihre Vorbehalte auch schon zigmal bis ins Detail belegt. Jetzt, 2009, scheint allen die Lust vergangen, noch einen Kommentar abzugeben.

Italiens Ministerpräsident aber will mit diesem Projekt in die Geschichte eingehen. Was würde sich für einen Mann, der seine Karriere als Baulöwe begann, auch besser eignen als ein Mammutwerk aus viel Beton, um endgültig seinen Platz unter den »ganz Großen« einzunehmen. Ein wahrer Pontifex Maximus, was ja nichts anderes als »Größter Brückenbauer« heißt.

Diesmal hat das Brückenprojekt noch einen angenehmen Nebeneffekt. Berlusconi sieht es als Mutter aller Anti-Krisen- und Konjunkturpakete. Wobei er im gleichen Atemzug allerdings behauptet: »Ich halte es für schädlich, dass die Medien diese Krise als etwas Endgültiges und Tragisches präsentieren. Es ist eine schwere Krise, aber das Adjektiv ›tragisch‹ ist absolut übertrieben.« Aber wie dem auch sei: Die Brücke von Kalabrien nach Messina sei ein hervorragender Krisentöter, meint Silvio Berlusconi. Und daran ändert auch die Tatsache nichts, dass selbst seine Minister schüchtern anmerken, die Ankündigung und selbst die anfängliche Finanzierung des Bauwerks bewirkten krisentechnisch noch gar nichts. Der Grundstein soll ja erst im nächsten Jahr gelegt werden, und die erträumten 40 000 Arbeitsplätze könnten auch erst danach geschaffen werden.

Selbst die Mafia, die mit ihren Baufirmen wahrscheinlich am meisten von dem Brückenbau profitieren wird, ist vorerst noch skeptisch. Denn tatsächlich sind viele der Probleme, die mit dem größten Brückenprojekt aller Zeiten verbunden sind, noch lange nicht gelöst. Die Gegend um die Straße von Messina gehört zu den erdbebenreichsten der Erde; und nicht nur das: Insel und Festland liegen auf verschiedenen tektonischen Platten und verschieben sich permanent gegeneinander. Und noch viel banaler: Keiner kann bisher sagen, wohin man mit dem ganzen Bauschutt soll, der bei solchen Arbeiten sowohl auf kalabresischer wie auf sizilianischer Seite anfallen würde.

Dazu kommt, dass es auf beiden Seiten der künftigen Brücke massive infrastrukturelle Probleme gibt. Im letzten Winter zum Beispiel waren immer wieder weite Teile Kalabriens isoliert, weil Erdrutsche Autobahnen, Straßen und Eisenbahnlinien blockierten. Und auf der Insel wüsste man gar nicht, wohin mit dem neuen Verkehr, der vom Festland käme. Es gibt kaum Autobahnen, und die Eisenbahn verkehrt fast ausschließlich eingleisig. Am wirtschaftlichen Sinn des Projekts zweifelt sogar Berlusconis Bündnispartner Umberto Bossi, der meinte, mit dem gleichen Geld könnte man auch 100 Flughäfen finanzieren, dann kämen mehr Touristen nach Sizilien…

Während die neuerliche Ankündigung des Brückenbaus in Italien kaum Aufmerksamkeit erregte, ist es ganz anders mit einem neuen Gesetz zu privaten und öffentlichen Bauten insgesamt. Innerhalb weniger Stunden nach Bekanntwerden des Entwurfs äußerten sich voller Besorgnis Dutzende von Architekten, Städteplanern und Umweltverbänden. Denn demnächst sollen es die Bauherren selber sein, die zertifizieren, dass ihre fertigen Projekte allen Gesetzen entsprechen. Gleichzeitig sollen Umwelt- und Naturschutz in Bezug auf die Bauvorhaben gelockert werden. An die Stelle strikter Verbote sollen Gummiformulierungen wie »möglichst«, »so weit es geht« und »den Umständen entsprechend« treten. Die Experten fürchten, dass sich demnächst eine Betonlawine über die schönsten Gegenden Italiens ergießen wird. Das allerdings wäre wohl auch ganz im Sinne Silvio Berlusconis, der immer gerne erklärt, dass die Baubranche der Motor der Wirtschaft überhaupt ist.

Andrea Camilleri, Italiens bekanntester Krimiautor und spitzzüngiger Gegner der augenblicklichen Regierung, meint dazu: »Ich bin sicher, dass Herr Berlusconi uns demnächst ein neues Projekt ankündigen wird: Die Brücke nach Sardinien.«

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