Ist Ulbricht Numa?

Publikationen über Peter Hacks

  • Uwe Schwentzig
  • Lesedauer: 3 Min.

Nicht nur zu Jubiläen: Der Eulenspiegel-Verlag in Berlin und der Verlag André Thiele in Mainz bemühen sich seit Jahren um Werk und Rezeption des 2003 verstorbenen Dichters, Dramatikers und Essayisten Peter Hacks. Eine Extra-Rolle dürfte da die Halbjahresschrift »Argos« spielen, deren Nummer 4 pünktlich zum 81. Geburtstag von Hacks am 21. März erschien.

Jedes »Argos«-Heft überrascht mit einer hübschen Entdeckung aus dem nicht in der Werkausgabe »kanonisierten« Oeuvre: diesmal ein Kinder-Mini-Musical. Neben Polemik, Meinungsstreit und Rezensionen – etwa über Hacks und die Pornografie (»Gewisse Geheimnisse«) – gibt es den Bericht von der ersten Tagung der Peter-Hacks-Gesellschaft. Und man kann den umstrittenen Text von André Thiele über Hacks' Bezug zu Thomas Mann nachlesen. So man denn Vieles bringt, ist Wichtiges auch dabei.

Wer oder was ist »Numa«? Wäre das von Interesse? Und ob. Anhand der Gestalt jenes mythischen Königs nämlich behandelte Hacks in seinem gleichnamigen Stück von 1971 immerhin die völlig unmythischen Grundfragen der Ära Ulbricht. Beidem gerecht zu werden, unternimmt in »Reichtum und Gleichheit« Felix Bartels – und gewinnt, während er die Staatsidee von Hacks referiert, fernab wohlfeil gängigen Denunzierens und Moralisierens, mit Kenntnis und Klarheit flugs eine versachlichende Perspektive auf die DDR. Die sollte zumindest ernst, jedenfalls wahrgenommen werden.

Ein Text, der weit über seine Relevanz für die Literaturgeschichte hinaus einen exzellenten Beitrag zum aktuellen gesellschaftlichen Diskurs bietet.

Zitierenswert auch, was Matthias Ullmann über Hacks' Buch »Zur Romantik« schreibt: »All das, was Hacks der Romantik vorwirft: Abkehr von der Aufklärung und statt dessen Flucht in Irrationalismen, seien sie nun als Religion oder Tradition verkleidet, all dies erlebt man natürlich auch heute und wundert sich nicht einmal mehr darüber. Und dem Land, der Gesellschaftsordnung geht es gut dabei. Das hat auch seine Richtigkeit, denn so lange die kritische und analytische Stimme der Aufklärung untergeht in einem Meer aus ahnungsvoll-schicksalhaftem Geraune, mystisch-esoterischem Gebrabbel und national-mythologischem Gejabbel – so lange hat diese Gesellschaftsordnung von ihren Insassen nicht wirklich etwas zu fürchten.«

So mag »Argos« zu einem signifikanten Ort für Diskussionen werden, die nicht nur der Beschäftigung mit Hacks Impulse geben, sondern vor allem auch brisanten Fragen unserer Zeit gelten, Fragen zur DDR und zur BRD, zu gesellschaftlicher und kultureller Entwicklung. Fragen, die uns 2009 mehr verfolgen denn je.

Argos. Mitteilungen zu Leben, Werk und Nachwelt des Dichters Peter Hacks (1928-2003). Heft 4, März 2009. Verlag André Thiele. 142 S., brosch., 14,90 EUR.


Bescheidene Frage

Nach dem Untergang der DDR wurde es in der PDS Mode, die Oktoberrevolution von 1917 als die letzte und entscheidende Ursache für deren Ende hinzuzustellen: Der Kapitalismus sei nicht wirklich reif für den Untergang gewesen, der Aufbau des Sozialismus in einem Lande habe zwangsläufig zu Verunstaltungen geführt, diese hätten die anderen Länder geerbt, und das habe in der Folge zu ihrem Ende geführt.

Hacks blieb zweifelnd: »Diese Ansicht entschuldigt trefflich alle, die die DDR in die Irre führten, sie ruinierten und stürzten, und sie entschuldigt auch das internationale Monopolkapital, das es sich Milliarden hat kosten lassen, den Sozialismus niederzuringen«, sagte er. »Aber davon einmal abgesehen: Kann mir vielleicht einer sagen, wie die Oktoberrevolution zu verhindern gewesen wäre?«

Aus: »Gott hält viel aus. Anekdoten über Peter Hacks« von André Müller sen. (Eulenspiegel Verlag, 123 S., geb., 12,90 ).

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