Kirchenglocken läuteten vergeblich

Volksentscheid zum Religionsunterricht »Pro Reli« scheitert an zu wenig Ja-Stimmen

»Wahllokal« steht an der Tür der Seniorenbegegnungsstätte in der Paul-Robeson-Straße 15. Einige Menschen schließen ihre Räder vor dem Eingang an, andere sind zu Fuß gekommen, um ihre Stimme abzugeben. Bei einem Volksentscheid musste es sich am Sonntag herausstellen, ob Religion in Berlin künftig ein Wahlpflichtfach sein soll. Dann müssten die Eltern bzw. ab 14 Jahren die Schüler entscheiden, ob sie am Religions- oder am Ethikunterricht teilnehmen. Soweit wird es aber wohl nicht kommen. Obwohl bei Redaktionsschluss dieser Seite noch kein Endergebnis vorlag, zeichnete sich eine Niederlage von »Pro Reli« deutlich ab.

In zwei Räumen der Seniorenbegegnungsstätte in Prenzlauer Berg warten gegen 11 Uhr die Wahlhelfer. Zufällig läuten gerade die Kirchenglocken. Hier aber scheint das kaum jemanden zu beeindrucken. Auf einem Tisch stehen Bücher, die Werke Lenins befinden sich darunter. Es kommen immer wieder Leute rein. Die Wahlhelfer haben zu tun, aber offenbar nicht allzu viel. Schlangen bilden sich nicht.

Bis 12 Uhr haben im Bezirk Pankow erst 10,6 Prozent der Wahlberechtigten ihr Kreuz gemacht. In Steglitz-Zehlendorf sind es zur selben Zeit 15,9 Prozent, in Friedrichshain-Kreuzberg gerade einmal 8,5 Prozent. Früh zeichnet sich ab, dass die Initiative »Pro Reli« mit ihrem Anliegen scheitern wird, schon deswegen, weil die Wahlbeteiligung gering ist. Für ganz Berlin liegt sie mittags bei 11,4 Prozent. Das sind noch weniger als beim Volksentscheid zur Schließung des Flughafens Tempelhof. Als es am 27. April 2008 um Tempelhof ging, hatte die Beteiligung um 12 Uhr bei 14,9 Prozent gelegen – und damals reichte es am Ende auch nicht. Im Laufe des Tages liefen weitere schlechte Nachrichten für »Pro Reli« ein. Um 16 Uhr lag die Wahlbeteiligung bei 22,6 Prozent, kurz nach der Schließung der Wahllokale schätzte der Landesabstimmungsleiter sie auf 29 Prozent. Damit sah es düster aus für »Pro Reli«, denn für einen Erfolg benötigte die Initiative 25 Prozent Ja-Stimmen (also 611 422). Bei Volksabstimmungen gibt es erfahrungsgemäß einen deutlichen Anteil von Nein-Stimmen. Um 18.40 Uhr hieß es, nach der Auszählung von 45 Prozent der Stimmbezirke gebe es schon 141 490 Nein- und ungültige Stimmen.

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