Hauptsache, ein Pole kommt ran

Spekulationen um die Besetzung internationaler Posten

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Die sonst auf allen politischen Feldern zerstrittenen konservative Parteien Polens – die regierende PO (Bürgerplattform) und die oppositionelle PiS (Recht und Gerechtigkeit) – sind sich in einer Frage einig: Sie wollen, dass prominente Polen gleichsam im Namen aller anderen »postkommunistischen« Staaten wichtige Funktionen im internationalen Leben ausüben.

Auch das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) hat sich diesem Standpunkt angeschlossen. Polen als »Eisbrecher« im einstigen sowjetischen Imperium habe es verdient, mit führenden Funktionen in der internationalen Politik belohnt zu werden, meinen die Sozialdemokraten. Der erste Vorstoß scheiterte jedoch: Außenminister Radoslaw Sikorski, der in der polnischen Medienwelt wie in politischen Kreisen als Kandidat für den Posten des NATO-Generalsekretärs gehandelt wurde, stand gegen den ehemaligen dänischen Premier Anders Fogh Rasmussen auf verlorenem Posten. Als russlandfeindlich geltend, blieb er aussichtslos in einer Zeit, da sich Barack Obama und die NATO daran machten, mit Russland eine Verständigung zu finden.

Nun denkt man an der Weichsel, diese Niederlage müsse durch den Aufstieg anderer polnischer Politiker wettgemacht werden – und zwar doppelt. Jerzy Buzek, der 69-jährige ehemalige Regierungschef (1997-2001), wird als tüchtigster christdemokratischer Abgeordneter des Europäischen Parlaments gepriesen. Also soll er dem Parlament in der nächsten Legislaturperiode präsidieren. Zwar hat auch Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi für einen seiner Männer Anspruch auf das Amt angemeldet, doch Polens Kandidatur sei stärker, mein man in Warschau und glaubt sich der Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel wie auch des französischen Präsidenten und des britischen Premiers sicher. Um Buzek den Rücken zu stärken, heißt es bei der PO, müsse die Bürgerplattform bei den Europawahlen mindestens 35 der 50 polnischen Sitze ergattern. Es hänge also von den polnischen Wählern ab, ob der Professor der Technischen Wissenschaften dem Europäischen Parlament vorsitzen wird.

Sicherer Kandidat für den Posten des Präsidenten des Europarates sei dagegen Wlodzimierz Cimoszewicz, verkünden alle Medien. Der 59-jährige Jurist, ehemaliger Premier, Sejmmarschall und Minister in SLD-Regierungen, sei höchst kompetent, in der gewünschten Funktion für die Menschenrechte in Europa zu kämpfen. Die Unterstützung der PO-Regierung für Cimoszewicz ist nicht verwunderlich: Als Gegenleistung erwartet man die Stimmen der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament für Buzek. Merkwürdig mutet nur an, dass nicht einmal die PiS und Präsident Lech Kaczynski gegen die Kandidatur von Cimoszewicz argumentiert. Hauptsache, ein Pole kommt ran.

Eben dieses Motiv wie auch die Argumentation aller Parteien, die polnischen Abgeordneten hätten sich in Brüssel und Straßburg zuerst und vor allem für die Interessen Polens in der Union einzusetzen, schafft zwischen Oder und Bug ein Wahlklima, das angesichts der eigentlichen Ziele der Europäischen Union ein wenig staunen lässt.

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