Fischer siegt im EU-Tauziehen

Tschechiens neuer Premier wird EU-»Reformgipfel« leiten

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Befürworter des Lissaboner EU-Abkommens in Tschechien und in anderen EU-Staaten atmen auf: Das entscheidende Gipfeltreffen im Juni, auf dem die weiteren Schritte zur EU-Reform beraten und auch für Irland Möglichkeiten geschaffen werden sollen, das Vertragswerk anzuerkennen, wird vom neuen tschechischen Premier Jan Fischer geleitet.

Nach dem Osteuropa-Treffen in Prag in der vergangenen Woche – das etliche Spitzenpolitiker Europas wegen des anstehenden Regierungswechsels an der Moldau gemieden hatten – waren Befürchtungen laut geworden, der europakritische Staatspräsident Vaclav Klaus könne selbst die EU-Präsidentschaft in seine Hand nehmen. Der dem Lissaboner Abkommen deutlich ablehnend gegenüber stehende Klaus hätte auf dem Gipfel im Juni die Haltung der Euroskeptiker stärken können, fürchteten die Vertragsbefürworter. Wie der Sprecher des Präsidenten, Radim Ochvat, bekannt gab, habe der »Präsident der Republik volles Vertrauen in die EU-Präsidentschaft der Regierung und zweifelt nicht daran, dass sie diese Rolle mit Erfolg und Überblick ausüben wird«.

Klaus hatte sich am Mittwochnachmittag mit Jan Fischer und dem neuen Außenminister Jan Kohout auf der Prager Burg getroffen. Dabei hatte der Präsident erklärt, er wolle mit der Unterschrift zum Lissaboner Abkommen warten, bis das Vertragswerk nochmals vom Verfassungsgericht geprüft worden ist. Erst vor drei Tagen war eine Gruppe von Senatoren auf dem Hradschin vorstellig geworden um Klaus zu bitten, mit der Unterschrift noch zu warten, bis das Verfassungsgericht ein Verdikt erlassen hätte. Senator Jiri Oberpfalzer (Bürgerliche Demokratische Partei, ODS) erklärte dabei, er vertrete eine Gruppe von 17 Senatoren, die ihre Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des gesamten Lissaboner Abkommens nochmals vom Gericht in Brno prüfen lassen wollten. Dies – so ein Sprecher des Verfassungsgerichts – könne aber nochmals zwei Monate dauern.

Beobachter in Prag halten den erneuten Gang nach Brno für ausgesprochene Hinhaltetaktik. Denn erst Ende November hatte das Gericht nach einer zweitägigen Sitzung entschieden, dass es keine verfassungsmäßigen Bedenken gegen das EU-Abkommen gebe. Nach diesem Entscheid passierte das Vertragswerk sowohl das Parlament als nun auch Anfang Mai den Senat der Tschechischen Republik – 54 Senatoren von 81 hatten für die Annahme und Ratifizierung gestimmt.

Schon in der Vergangenheit hatte Vaclav Klaus den Lissaboner Vertrag als »tot« bezeichnet. Dies wiederholte er am Mittwoch anlässlich eines Treffens mit dem irischen Euroskeptiker Decan Ganley auf der Burg. Ganley, der mit seinem Vermögen die euroskeptische Partei Libertas in Irland quasi als Privatunternehmen unterhält, hatte auch einen tschechischen Ableger – Libertas.cz – gegründet. Dieser Bewegung hatte Vaclav Klaus nachhaltig seine Sympathie erklärt. Führer der tschechischen Libertas-Kandidaten ist der ehemalige ODS-Abgeordnete und frühere Finanzminister Vlastimil Tlusty, einer der ODS-»Rebellen«, deren Stimme mit zum Sturz der Topolanek-Regierung geführt hatte.

Die Regierung Jan Fischer wird es daher nicht leicht haben, die EU-Präsidentschaft souverän zu Ende zu führen und auf dem Juni-Treffen zum Erfolg zu kommen.

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