Städtischer Patriotismus

In Kroatien wird am Sonntag kommunal erstmals direkt gewählt

  • Michael Müller, Zagreb
  • Lesedauer: 3 Min.
Mühsamer Wahlkampf: Werbestand in Donji Miholjac
Mühsamer Wahlkampf: Werbestand in Donji Miholjac

»Jetzt langt es«, wettert Jasen Mesic dieser Tage in der kroatischen Hauptstadt Zagreb. »Wir brauchen keine neuen Toiletten im Zentrum, die 12 000 Euro pro Quadratmeter kosten. Und wir brauchen vor allem auch keine Seilschaften mehr. Unsere Wahlliste steht deshalb für einen wirklichen Neuanfang«, versichert er. Mesic ist für die konservative Demokratische Gemeinschaft (HDZ) Bürgermeisterkandidat bei den Kommunalwahlen an diesem Sonntag. Sein bei dem Meeting ebenfalls anwesender oberster Parteichef, Kroatiens Premier Ivo Sanader, sprang ihm noch mit einem geistlich-weltlichen Argument bei. Wer die bislang in Zagreb kommunal dominierende Sozialdemokratische Partei (SDP) unterstütze, der unterstütze den Rauswurf des Religionsunterrichts aus den Schulen.

So flott ging es im mehrwöchigen Kommunalwahlkampf nur selten zu. Und wenn, dann wie bei dieser Versammlung in Zagreb vorzugsweise vor eigenen Anhängern. Auch in den Medien war die Aufmerksamkeit, so nicht gerade irgendwo Promis auftraten, eher gedämpft. Ebenso an den Wahlkampfständen in den rund 550 Städten und Gemeinden des nur knapp 4,5 Millionen Einwohner zählenden, in 20 kleine Provinzen (Zupanija) strukturierten Landes. Selbst wenn da ein Kandidat mal auf einem Plakat mehr Wohnungen für junge Leute versprach, »damit die endlich erfahren, dass es mehr Stellungen als auf einem Autorücksitz gibt«, sorgte das kaum für Belebung.

Die Leute im Land hier, auch die meisten jungen, haben nämlich ganz andere Sorgen: die wieder wachsende Zahl von Konkursen, steigende Arbeitslosigkeit und Preise. Andelko Milardovic vom Zentrum für Politikforschung ist jedenfalls alles andere als euphorisch, was die mögliche Wahlbeteiligung angeht. Bereits vor vier Jahren traten beim kommunalen Urnengang nur ganze 30 Prozent an. Zusätzlicher innenpolitischer Schwung war 2009 auch nicht zu erwarten, denn Präsidentschaftswahlen sind erst im nächsten, die Parlamentswahlen planmäßig im übernächsten Jahr.

Dabei gibt es diesmal kommunal eine Innovation. Erstmals nämlich werden Bürgermeister sowie Provinzchefs direkt gewählt. Laut Umfragen könnte das zumindest an der Relation der Wahlergebnisse zwischen den großen beiden Parteien etwas ändern. Bei der Agentur Promocija Plus liegt jedenfalls die SDP, im Parlament in der Opposition, bei 29,3 Prozent (2005: 19) vor der Regierungspartei HDZ mit 27,1 (2005: 23). Über fünf Prozent sehen die meisten Umfragen nur noch die Liberale Volkspartei (HNS), im Parlament in der Opposition, sowie für die mitregierende Bauernpartei (HSS).

Klarer Gewinner der Kommunalwahlen von 2005 war übrigens die nationalistische Partei des Rechts (HPS). Sie hatte damals die Zahl ihrer Mandate verdreifacht. Vor dem Hintergrund einer inzwischen EU-gegenläufigen Stimmung unter der Bevölkerung sowie einer zu erwartenden geringen Wahlbeteiligung könnte dieser Trend nun anhalten. Kresimir Zagar, amtierender HDZ-Bürgermeister in der ostkroatischen Stadt Nasice, ficht das wenig an. »Ich hatte bisher eine Koalition aus HDZ, HSS, der Rentnerpartei HSU und eben der HSP hinter mir«, sagt er gegenüber ND. »Doch Nationalismus hatte bei uns nie Platz, sondern nur Patriotismus für unsere Stadt«, versichert er. Das sei auf kommunaler Ebene entscheidend für Erfolg. Und den habe er als Bürgermeister gehabt. Für Sonntag rechne er sich 70 Prozent aus. Sollte dahinter ein nationaler Trend stecken, gäbe es dann trotz erstmaliger kommunaler Direktwahl kaum neue Bürgermeistergesichter.

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