Traditionen mit blutigem Edelweiß

Gebirgsjäger pilgern abermals nach Mittenwald, die Bundeswehr schickt Heeresinspekteur

Erneut marschieren ehemalige Wehrmachtsangehörige und Soldaten der Bundeswehr zum Eherenmal »Hohen Brendten« nach Mittenwald. Als Redner ist dieses Jahr der Heeresinspektor der Bundeswehr, Hans-Otto Budde, angekündigt. Die Soldaten mit dem Edelweiß-Symbol sorgen auch vor Gericht für Schlagzeilen – mit einem Verfahren gegen den Antifaschisten Ulrich Sander.

Trotz massiver Proteste in den vergangene Jahren wollen sich Soldaten am Ehrenmal »Hohen Brendten« an diesem Wochenende bei Mittenwald zusammenfinden, um an die »Verdienste« von Wehrmacht und Bundeswehr sowie an ihre gefallenen Kameraden zu erinnern. Seit Anfang der 1950er Jahre folgt der »Kameradenkreis der Gebirgstruppe e. V.« dieser Tradition – und seitdem verleugnen die Gebirgsjäger Teile der eigenen Vergangenheit. Denn ihre »Helden« machten sich zur Zeit des Zweiten Weltkrieges mit dem Hakenkreuz auf der Brust zum Teil schwerer Kriegsverbrechen schuldig. Massaker sind u. a. in Jugoslawien, Italien, Albanien und Griechenland belegt. Nach Auffassung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) halte der Kameradenkreis an der Wehrmachtstradition fest und habe »immer wieder Kriegsverbrechen gedeckt«.

Als Gastredner ist an diesem Wochenende Hans-Otto Budde, Heeresinspektor der Bundeswehr, geladen. Er ist ein Soldat alten Schlags. Ein strenger Antikommunist, der sich während des Krieges in Vietnam auf die Seite der USA stellte und 1997 in der NATO-Schutztruppe (SFOR) in Bosnien und Herzegowina seinen Dienst tat. Dem Soldat als »Staatsbürger in Uniform« erteilt Budde eine Absage: »Wir brauchen einen archaischen Kämpfer und den, der den High-Tech-Krieg führen kann«, so der Niedersachse in der »Welt am Sonntag« im Jahr 2004. Wolfgang Winkel, ehemaliger Fallschirmjägeroffizier und Weggefährte Buddes, folgerte in der »Welt«: »Diesen Typus müssen wir uns wohl vorstellen als einen Kolonialkrieger, der fern der Heimat bei dieser Art von Existenz in Gefahr steht, nach eigenen Gesetzen zu handeln.«

Vergangenes Jahr wurde das größte Soldatentreffen Deutschlands auf Drängen der Gemeinde um einige Wochen verlegt. Der Protest habe angeblich der Kleinstadt das Tourismusgeschäft am Pfingstwochenende verdorben, heißt es. Der Arbeitskreis »Angreifbare Traditionspflege« mobilisiert auch dieses Jahr wieder zu Pfingsten zu Protesten. Geladen sind unter anderem Maurice Cling, ein Überlebender des Vernichtungslager Auschwitz, und Max Tzwangue, ein Angehörigen des französischen Widerstands gegen die Nazi-Okkupation. Geplant ist außerdem, der Stadt Mittenwald mit dem »Stein des Anstoßes« ein Denkmal zu übergeben, das »die Auseinandersetzung mit den Kriegsverbrechern am Standort der 1. Gebirgsjägerdivision in den Ort tragen und befördern soll«.

Aktuell für Schlagzeilen sorgt ein juristischer Streit zwischen dem Kameradenkreis und dem Bundessprecher der VVN-BdA, Ulrich Sander. Im vergangenen Juni publizierte die VVN-BdA ein Papier, in dem von einem »Kriegsverbrechertreffen« in Mittenwald die Rede war. Verantwortlich für den Text: Ulrich Sander. Ihm wurde daraufhin per einstweiligem Beschluss die Behauptung untersagt, dass das vom Kameradenkreis der Gebirgstruppe veranstaltete Soldatentreffen »das größte Kriegsverbrechertreffen« sei. Dem ist Sander nachgekommen, einen Widerruf seiner Äußerungen hat er aber nicht abgegeben. Durch eine Klage Ende des vergangenen Jahres wollte der Kameradenkreis diesen Widerruf erreichen. Nun verlangt der »Kameradenkreis« von dem VVN-Sprecher, nicht mehr zu behaupten, dass der Kameradenkreis Kriegsverbrecher in seinen Reihen hatte und hat, sie beschützt und ihre Taten verharmlost. Eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth wurde vom 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus, auf den 20. Mai verlegt – auf Antrag der Gebirgsjäger. Doch die VVN-BdA bleibt bei ihren Auffassungen: Regelmäßig haben im Ausland verurteilte und in der Bundesrepublik bisher juristisch noch nicht belangte Kriegsverbrecher an dem Treffen des Kameradenkreises auf dem »Hohen Brendten« teilgenommen. Denn, so stellt Ulrich Sander klar, »Kriegsverbrecher sind für mich Personen, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren, unabhängig davon, ob sie für diese Taten je verurteil wurden oder nicht«.


Die Gebirgsjäger der Wehrmacht haben sich schwerer Verbrechen schuldig gemacht. Beispiele:

  • Kefalonia – Auf der griechischen Insel, seit 1941 von den Nazis besetzt, wurden mehr als 5000 italienische Soldaten der Infanteriedivision »Acqui«, die sich im September 1943 Teilen der 1. Gebirgsdivision ergaben, erschossen.
  • Falzano di Cortona – Im Juni 1944 hat ein deutsches Gebirgsjägerbataillon in dem toskanischen Dorf 14 Zivilisten als Vergeltung für Angriffe italienischen Partisanen umgebracht.
  • In Skandinavien werden Eduard Dietl schwere Verbrechen vorgeworfen. Für Bauarbeiten rekrutierte Dietl Zwangsarbeiter aus Straflagern in Finnland und Norwegen. Diese Lager wurden auch »Konzentrationslager für die Wehrmacht« genannt. In Füssen (Bayern) wurde eine Bundeswehr-Kaserne nach Eduard Dietl benannt.
  • Lwow – In der Westukraine fiel der General Ludwig Kübler durch besondere Brutalität auf und erhielt den Beinamen »Bluthund von Lemberg«. Ein Befehl besagt: »Gewalttätigkeiten und Bedrohungen gegen Angehörige der Deutschen Wehrmacht und ihres Gefolges werden mit dem Tode bestraft. Sind die Täter nicht zu ermitteln, so werden an den festgenommenen Geiseln Repressalien verübt. (...)« C.K.
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