Exil-Iraner in Deutschland bilden Netzwerke

Tausende gegen »Wahlfälschung, Zensur und Schlägertrupps«

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.
Iraner in Deutschland sind in diesen Tagen nicht nur besorgt um ihre Angehörigen, sondern auch zuversichtlich, dass es in ihrem Herkunftsland zu politischen Veränderungen kommen wird.

»Die demokratische Wende ist nicht mehr zu stoppen«, sagt Kambiz Behbahani, Journalist, der seit 36 Jahren in Deutschland lebt. Manoocheam Nowroozian, Bauingenieur in Berlin, hofft ebenfalls, dass durch den Druck der Proteste die Machthaber zum Rücktritt gezwungen werden. »Die Demonstrationen finden nicht nur in Teheran statt, sondern im ganzen Land«, sagt er. Rund 100 000 Iraner leben in der Bundesrepublik. Sie sind außerordentlich gut integriert. Viele von ihnen sind Intellektuelle, die aus politischen Gründen ihr Herkunftsland verlassen mussten. Zählt man die Menschen mit deutschem Pass und iranischen Wurzeln hinzu, sind es etwa dreimal so viele.

Nahezu täglich gibt es auch in Deutschland Demonstrationen gegen die Teheraner Regierung. Am Dienstag demonstrierten zwischen 1000 und 2000 Exil-Iraner in Berlin auf dem Kurfürstendamm. »Das war eine wunderschöne, fröhliche und friedliche Demonstration, die den Protest gegen die Brutalität der Schlägertrupps mit Gelassenheit zum Ausdruck brachte«, sagt Behbahani. Die Demonstranten hätten den begleitenden Polizisten sogar Blumen geschenkt. In Frankfurt am Main versammelten sich mehr als 1000 Iraner auf dem Römerberg, um gegen Polizeiwillkür, Medienzensur und Wahlfälschung in ihrem Heimatland zu protestieren. In Hamburg waren es rund 600 Menschen vor dem iranischen Generalkonsulat.

Beteiligt waren Prominente wie die Grüne Claudia Roth. Für Sonntag ist eine Demonstration Unter den Linden in Berlin zur russischen Botschaft geplant, weil Russland die gegenwärtige Regierung anerkannt hat. In Deutschland lebende Iraner kommunizieren durch das Internet mit ihrer Heimat. Jeden Donnerstag senden die Radiojournalisten Nasrin Bassiri und Amir Farshad Ebrahimi über den Berliner Onlinesender »Multicult2.0«. Sie informieren über die Proteste in Berlin, sind telefonisch aber auch mit Oppositionellen und Künstlern in Iran verbunden, die hier eine Stimme bekommen. Außerdem bringen sie persische Untergrundmusik zu Gehör, die in Iran verboten ist. Das Angebot erarbeiten die beiden Journalisten ehrenamtlich, seit der rbb »Radio Multikulti« abgeschaltet hat.

Auch Webseiten aus Berlin und aller Welt werden in diesen Tagen in Iran gelesen. Sie werden täglich aktualisiert und sammeln die Informationen, die aus Iran ins Ausland dringen und von den dortigen offiziellen Medien unterdrückt werden. Kambiz Behbahani saß letzte Nacht bis 3 Uhr vor dem Computer, um sich zu informieren. Er ist per Telefon, SMS und E-Mail mit Verwandten und Freunden verbunden und schickt seine Informationen über einen E-Mail-Verteiler weiter.

»Die Telefonleitungen waren einige Zeit unzugänglich, aber vor zwei Tagen wurde die Sperre wieder aufgehoben«, sagt er. Die Menschen würden durch Ansagen der staatlichen Telefonzentrale eingeschüchtert, nicht mit ausländischen Medienvertretern zu kommunizieren. »Aber auch das Sperren von Webseiten kann mit entsprechender Software durchbrochen werden«, weiß Behbahani.

Viele Exil-Iraner wie der Bauingenieur Nowroozian gehen davon aus, dass die Wahlergebnisse gefälscht waren. »Es ist einfach unrealistisch, dass so schnell ausgezählt wurde. Da ist was faul«, sagt er.

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