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Bangen um Indianerbanane und Büffelbeere

Lichtenberg bietet seiner Gartenarbeitsschule keine wirkliche Perspektive

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 2 Min.
Bedrohtes Idyll
Bedrohtes Idyll

Ein rot-weißes Flatterband spannt sich mitten durch das Gelände der Karlshorster Gartenarbeitsschule. Man könnte denken, dass es dazu dient, Jungpflanzen vor unachtsamen Kindern zu schützen. Schließlich sind Tag für Tag Kitagruppen und Grundschüler hier, um etwas über die Natur zu lernen, über Pflanzen, wie man sie anbaut, wie sie sich anfühlen, riechen und schmecken. In der Gartenarbeitsschule – einer offiziellen Einrichtung des Bezirks Lichtenberg – werden Kenntnisse vermittelt, die Großstadtkinder sonst selten mitbekommen würden. Fast 5000 Schüler werden hier jährlich durchgeschleust.

Doch das Flatterband markiert die neue Grundstücksgrenze. Alles, was dahinter liegt, gehört nicht mehr zum Gelände. Der abgetrennte Teil wurde vor einigen Jahren verkauft. Wohl eine Altlast aus einer zu DDR-Zeiten verschluderten Korrektur von Grundbucheinträgen nach Grundstückstauschen. Erfahren haben das die Mitarbeiter am 26. Februar, geräumt werden sollte zum 1. März. Dazu gehört auch der große Teich. Mit wunderschönen Seerosen, umherschwirrenden Libellen, dutzenden quakenden Fröschen, umgeben von hohem Gras ist er ein wahres Idyll. Und ein ökologisch wertvolles Feuchtbiotop, das den neuen Eigentümer auch bisher daran hinderte, das Gelände zu planieren, um seinen direkt angrenzenden Containerlagerplatz zu erweitern.

Alfred Raeder, ehemaliger Mitarbeiter der Schulgärtnerei ist heute über 80 Jahre alt und arbeitet immer noch ehrenamtlich mit. Er ist bekümmert über die aktuellen Vorgänge, hat sich an den Bezirk gewandt, doch der schweigt wortreich. Man spricht sich für den Erhalt der Gartenarbeitsschule aus. »Sie sagen aber nichts über den Standort«, so Raeder. Benachbarte Kleingärtner haben nämlich herausgefunden, dass das ganze ausgediente Industriegebiet zu Wohnbauland werden und die Schule verlagert werden soll. In spätestens zehn Jahren soll es so weit sein. Auf offiziellem Wege wurde das keinem der Betroffenen mitgeteilt.

»Aber wie zieht man denn bitte einen Garten um?«, fragt Raeder. Das Verwaltungsgebäude, drei fest eingebaute Gewächshäuser, die Gartenteiche, die großen Bäume und Gehölze. »Die Arbeit von 40 Jahren wäre futsch«, sagt er. Auch die in Berlin einmalig große Wildobstsammlung – Gewächse mit so wunderlichen Namen wie Indianerbanane, Milchorangenbaum, Felsenbirne oder Büffelbeere – wären weg. Mit knapp 7000 Quadratmetern ist das vorgesehene Gelände auch nur etwas mehr als halb so groß wie das jetzige. Zumal Raeder auch nicht damit rechnet, dass es genug Gelder für die komplette Neuausstattung gäbe.

Der Bezirk Lichtenberg ist auf bestem Wege, ein Kleinod zu verlieren. Und das in Zeiten, wo sich jeder Politiker und jede Politikerin Bildung und Umwelt auf die Fahnen schreibt.

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