Das Letzte. Hoffentlich

»Springer« für ARD

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 2 Min.

Was machen eitle Männer mit Medienmacht? Sie veröffentlichen ihr Ego. Also hat »Springer«-Chef Matthias Döpfner eine Dokumentation drehen lassen – und sich dennoch als Autor genannt. Sie heißt »Mein Freund George Weidenfeld« und bringt dem Holocaust-Überlebenden, Publizisten, Diplomaten aus Österreich nur scheinbar ein filmisches Geburtstagständchen zum 90. – am Ende besingt sich vor allem Döpfner. Es geht ihm um den Glanz der Glorie, einen Platz im Lichtkegel globaler Gestalter seiner Vorstellung von Weltgeschichte. Schäuble, Schily, Schirrmacher, Schröder als Gratulanten bereits im Vorspann, Helmut Kohl mittendrin und immer wieder, Besuche von ersten Adressen, stets First Class: alles Platzhalter seines unablässigen Strebens, Meinung als Information zu verkaufen.

Um Richard Wagner vom faschistischen Dünkel zu reinigen, lässt Döpfner den Wiener Opernintendant Ion Hollender mit Weidenfeld diskutieren; um den Kriegsverbrecher Kurt Waldheim zu exkulpieren, mit dessen Witwe; um Israel zum Opfer zu machen, mit Shimon Peres. Das Zitat von erhabener Stelle als Einfallstor in die Seriosität.

Selbst Angela Merkel wird instrumentalisiert, wenn sie Weidenfelds Worte »Deutschland soll stolz auf sich sein« lobt. Es ist die Quintessenz von Döpfners Wirken. Und sein liberal-konservatives Projekt gipfelt in Weidenfelds Selbstgespräch, der islamische Terror sei eliminatorischer als der Holocaust. Ausgesprochen von einem Juden. Döpfner lächelt und schweigt. Wenn auch nur an dieser Stelle.

Ansonsten kumpelt er sich per »Du« durch 60 Minuten Film und hakt den Greis beim Gehen unter wie eine alte Dame, der man über die Straße hilft. Der »Spiegel« beklagt die Distanzlosigkeit von »Mein Freund, George Weidenfeld«, versinnbildlicht im Titel. Doch es ist mehr als das: Döpfner beerdigt den journalistisch gebotenen Abstand zum Berichtsobjekt auf dem Friedhof seines eigenen Fundamentalismus.

Fragt sich nur, warum ihm die ARD dafür ein Podium bietet, sonntagnachmittags zwar, aber immerhin. Er habe »nicht den Vorstandsvorsitzenden, sondern den Journalisten Mathias Döpfner gefragt«, sagt der zuständige NDR-Redakteur Thomas Schreiber und erklärt sich mit dem Ergebnis zufrieden. Das spricht Bände über die Verflechtung der Macht zwischen Medien und ihren Gestaltern. Döpfners erster – und hoffentlich letzter Film.

»Mein Freund, George Weidenfeld«, ARD, Sonntag, 14.30 Uhr.

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