Totalschaden am Nürburgring

Prestigeprojekt ist staatsfinanziertes Millionengrab / Minister übernimmt Rolle des bösen Buben

  • Jochen Bülow
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Freizeitzentrum Nürburgring sollte das regionale Prestige-Entwicklungsprojekt der rheinland-pfälzischen Landesregierung werden. Jetzt ist die vom Finanzminister geplante Finanzierung geplatzt, Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) angeschlagen.

Der Nürburgring ist eine weltberühmte und gleichzeitig verlustbringende Rennstrecke – laut Landesrechnungshof verursacht auch das Formel-1-Rennen an diesem Wochenende Defizite »in zweistelliger Millionenhöhe«. Der zu 90 Prozent im Besitz des Landes Rheinland-Pfalz stehenden Nürburgring GmbH bescheinigt der Rechnungshof, sie habe bis 2005 Ausschreibungsregeln missachtet, unberechtigt Landeszuschüsse in Anspruch genommen und die Einkünfte ihrer leitenden Angestellten seien »erheblich stärker gestiegen« als die Gehälter vergleichbarer Angestellter in der gewerblichen Wirtschaft.

Kein Wunder, dass die Opposition im Landtag Vetternwirtschaft und Klüngel vermutet. Das aber hat die mit absoluter Mehrheit regierende Landesregierung von Kurt Beck (SPD) immer entschieden zurückgewiesen. Jetzt allerdings ist die Finanzierung der »Erlebniswelt Nürburgring« mit Karacho aus der Kurve geflogen: »Ich übernehme die volle politische Verantwortung für das Scheitern der Finanzierung und habe meinen Rücktritt angeboten«, erklärte Ingolf Deubel (SPD) mit versteinerter Miene seinen Rücktritt. »Wir hätten die Reißleine früher ziehen müssen, es nicht getan zu haben, war ein Fehler« – ungewöhnlich freimütig kommentierte auch Ministerpräsident Kurt Beck das Scheitern der Privatfinanzierung für das Großprojekt Nürburgring und den Rücktritt seines bisherigen Finanzministers.

Damit ist nun offiziell, was die alleinregierende SPD unter allen Umständen vermeiden wollte: Aus dem Prestigeobjekte zur Förderung der strukturschwachen Eifelregion, das mit einer nur zehnprozentigen Beteiligung aus öffentlichen Kassen auskommen sollte, ist ein 270 Millionen-Projekt geworden – komplett staatsfinanziert. Unvergessen ist, dass es die Landesregierung selbst war, die die Latte hochgehängt hatte: »Wenn es nicht gelingt, einen Privatinvestor fest an das Projekt zu binden«, so Finanzminister Ingolf Deubel beim Start des Projektes, »dann wird das Projekt auch nicht kommen«.

Jetzt kommt es doch – und zwar komplett auf Kosten und Risiko des Steuerzahlers. Die Klimmzüge der Landesregierung, um – koste es was es wolle – doch noch private Investoren ans Steuer zu holen, nahmen in den letzten Wochen absurde Züge an: »Geheim, geheim, geheim«, lautete die stereotype Auskunft, wenn Journalisten Näheres über die Modalitäten der Finanzierung erfahren wollten. Mittlerweile wird über den Geschäftspartner der Landesregierung in der Presse berichtet, ihm werde Betrug in Millionenhöhe vorgeworfen. Spätestens dies machte Deubel unhaltbar, hatte der Minister sich doch auf dessen Zusagen verlassen und mehrfach verkündet, die private Finanzierung sei gesichert und das Geld der Investoren unterwegs.

Stattdessen sorgt sich die Landesregierung jetzt um 95 Millionen Euro Steuergelder, die auf ein Konto in der Schweiz überwiesen wurden – angeblich, um das Geschäft in Gang zu bringen. Hieß es anfangs, nur das Land habe auf das Konto Zugriff, soll jetzt auch der umstrittene Geschäftspartner Verfügungsmöglichkeiten gehabt haben. Mittlerweile sollen zwei Bedienstete des Landes in die Schweiz gereist sein, um das Geld zu sichern – was nicht gerade das Vertrauen der Öffentlichkeit weckt.

Dass sich der gescheiterte Finanzminister zuletzt auf windige Geschäftsleute und offenbar nicht gehaltene Versprechen verließ, wird als sein persönliches fachliches Versagen gewertet. Die politische Verantwortung aber trägt der als Bundesvorsitzender der SPD grandios gescheiterte Ministerpräsident Kurt Beck: Daran änderte auch die gestrige pompöse Eröffnung des erst halbfertigen Projektes nichts.

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