Die Linkspartei und die Polizei

Landtagsfraktion legte Eckpunkte für ein Konzept zur öffentlichen Sicherheit vor

Zur Zeit meist radlos: S-Bahnen in der Werkstatt
Zur Zeit meist radlos: S-Bahnen in der Werkstatt

Bei den Parteitagen von SPD und CDU protestiert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) draußen. Bei der Linkspartei spricht der GdP-Landeschef Andreas Schuster und erhält Beifall von den Delegierten. Schusters Stellvertreter Andreas Bernig gehört der Linksfraktion im Landtag an. Die Linkspartei wendet sich gegen den Abbau von weiteren 800 Stellen und die Schließung von Wachen. Nichts davon ist ganz neu und doch scheint sich etwas zu bewegen.

Gestern stellte der Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg erstmals Eckpunkte der LINKEN für ein Konzept zur öffentlichen Sicherheit im Land Brandenburg vor. Geschrieben haben es neben Scharfenberg und Bernig die Anwälte Bernfried Helmers und Volkmar Schöneburg. Den Hauptbeitrag verfasste Martin Kutscha von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht. Er zählt zu den Herausgebern des jährlichen Grundrechtereports.

Der Professor, der sich wissenschaftlich mit der inneren Sicherheit befasst, notierte seine Vorstellungen. Die der LINKEN kenne er übrigens gar nicht in allen Einzelheiten, sagte er. Dazu komme, dass es von der LINKEN bisher kein geschlossenes Konzept zu diesem Thema gebe – was Scharfenberg bestätigt. Der Professor und der Politiker sehen jedoch inhaltliche Überschneidungen in ihren Positionen.

Die innere Sicherheit habe in der Politik Konjunktur und spiele in Wahlkämpfen eine nicht zu unterschätzende Rolle, schreibt Kutscha. Die verbreitete Angst vor Kriminalität stehe aber in keinem Verhältnis zur Wirklichkeit. Deutschland sei einer der sichersten Staaten. Zwar glaube die Bevölkerung nicht zuletzt wegen reißerischer Berichte, die Zahl der Sexualmorde habe innerhalb von zehn Jahren um 260 Prozent zugenommen. Tatsächlich sei die Zahl jedoch um 37 Prozent gesunken. Auch die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden, sei »sehr, sehr gering«.

Erschreckend sei lediglich die rechtsextreme und rassistische Gewalt. Mindestens 126 derartige Morde wurden seit 1990 verübt. Für fremdländisch aussehende Menschen sei es daher tatsächlich nicht ungefährlich in Deutschland, meint Kutscha. Absurd sei der Erklärungsversuch, rechtsextreme Gewalttäter hätten wegen des Frauenmangels in Ostdeutschland zu viel Testosteron im Blut.

Der Professor warnt davor, moderne Überwachungstechniken zu überschätzen. Notwendig seien gut ausgebildete Polizisten – »freilich nicht nach dem Vorbild des preußischen Beamten, der herrisch auf den Untertan herabschaut«. Zu privaten Wachschützern bemerkt er: »Sicherheit darf nicht zu einer Ware werden, die sich nur die Wohlhabenden leisten können!«

Die Freiheit dürfe nicht zugunsten eines trügerischen Sicherheitsgefühls geopfert werden, erklärte Scharfenberg. Er wendet sich dagegen, das brandenburgische Polizeigesetz noch mehr zu verschärfen. Im Gegenteil: es sollte regelmäßig überprüft werden, ob Maßnahmen wie Lauschangriff, Handyortung, Rasterfahndung und Videoüberwachung etwas bringen oder ob sie überhaupt genutzt werden. Gegebenenfalls seien sie wieder zu kassieren.

Fest steht, dass Jörg Schönbohm (CDU) in der neuen Regierung nach der Landtagswahl im September nicht Innenminister sein wird. Nach zehn Jahren im Amt möchte der heute 71-Jährige nicht mehr. Dass der neue Innenminister nicht von der CDU kommt, selbst wenn die gegenwärtige Koalition hält, davon ist Scharfenberg überzeugt. Die SPD werde das wichtige Ressort an sich ziehen.

Das könnte auch bei einer rot-roten Koalition der Fall sein. Bisher stellte die LINKE nirgendwo den Innenminister. Man solle aber niemals nie sagen, findet Scharfenberg. Seines Wissens sei er auch der erste Sozialist, der Vorsitzender des Innenausschusses in einem Landtag wurde. Persönlich habe er keine Ambitionen, Innenminister zu werden. Das Innenressort genieße bei der LINKEN zudem nicht die »höchste Priorität«. Unverkennbar seien die Sozialisten eher an den Bereichen Arbeit, Soziales und Bildung interessiert.

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