nd-aktuell.de / 30.07.2009 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 2

Hundt will Beschäftigten in die Tasche greifen

Arbeitgeberpräsident hält Lohnsenkungen in der Krise für angemessen / Gewerkschaften sind empört

Ina Beyer
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hält angesichts der wirtschaftlichen Krise auch Lohnsenkungen für durchaus angebracht. Den Gewerkschaften bescheinigte er in dieser Woche in Berlin »tarifpolitische Vernunft« in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Die Arbeitnehmervertreter finden seinen Vorschlag dagegen alles andere als vernünftig.

Während schon wieder die Rede von einer Erholung der Wirtschaft ist – die ersten Banken vermelden Milliardengewinne und die Börsenkurse steigen –, wird die Krise auf dem Arbeitsmarkt erst in den nächsten Monaten voll einschlagen. Wie stark dieser davon wirklich betroffen sein wird, kann derzeit niemand genau voraussagen. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt glaubt »nach wie vor nicht, dass es in diesem Jahr vier Millionen Arbeitslose geben wird«. Für Aufsehen sorgte der erste Mann der Wirtschaft am Dienstag in Berlin mit seinen Äußerungen zu möglichen Lohnkürzungen, die seitens der Arbeitgeber angesichts der flauen Auftragslage notwendig werden könnten.

Tarifliche Kostenentlastungen seien bei Umsatzrückgängen von 30 bis 40 Prozent aus betriebswirtschaftlicher Sicht für viele Unternehmen oder für ganze Branchen »durchaus berechtigt«, sagte der Arbeitgeberpräsident. »Wenn alte Formeln der Gewerkschaften angewendet werden, dass die Produktivitätssteigerung und die Inflationsrate die Grundlage für Tariferhöhungen sein sollen, dann müssen wir im nächsten Jahr in wichtigen Branchen eine deutliche Lohnsenkung vereinbaren«, sagte Hundt vor Journalisten.

Dass dies nicht die Grundlage für Verhandlungen mit den Gewerkschaften sein kann, ist auch dem Arbeitgeberpräsidenten bewusst. Man werde prüfen, welche Einsparmöglichkeiten in den Manteltarifverträgen bestünden, erläuterte daher der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Arbeitgeberverbände, Reinhard Göhner, Hundts Vorschlag.

Die Reaktion der Gewerkschaften ließ nicht lange auf sich warten. »Während immer mehr Beschäftigte der Sorge um den eigenen Arbeitsplatz ausgesetzt sind, wird jetzt versucht, die Furcht vor dem Jobverlust schamlos auszunutzen«, empörte sich der Stuttgarter IG Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann, »die Arbeitgeber wollen den Beschäftigten in die Tasche greifen, um Kostenentlastungen für sich durchzusetzen.« DGB-Chef Michael Sommer kündigte den Widerstand der Gewerkschaften an, die nicht hinnehmen würden, dass die Krisenlasten »auf die kleinen Leute« abgewälzt werden. Die Gewerkschaften befürworten kräftige Lohnsteigerungen gerade in der Krise. Weil dadurch die Binnenkonjunktur angekurbelt werde, seien Lohnsteigerungen »die zentrale Nachfragestütze in der jetzigen Konjunkturphase«, sagte Sommer.

Damit können sich die Gewerkschaften derzeit jedoch nicht gegen die Arbeitgeber durchsetzen. Die Tarifabschlüsse des ersten Halbjahres 2009 zeugten »von einer angemessenen, beschäftigungsorientierten, differenzierten und flexiblen Tarifpolitik«, resümierte Dieter Hundt in Berlin. Er begrüßte unter anderem längere Tariflaufzeiten sowie die durchschnittlich moderaten Lohnsteigerungen »von Null bis 2,5 Prozent«. Vorgeschaltete Nullmonate in zahlreichen Tarifverträgen milderten die Belastung für die Arbeitgeber im laufenden Jahr ab, erläuterte Hundt. Häufig seien auch Einmalzahlungen statt dauerhafter tabellenwirksamer Tarifsteigerungen vorgesehen.

Der Arbeitgeberpräsident begrüßte die »tarifpolitische Vernunft« der Gewerkschaften in den letzten Monaten. Während diese derzeit noch vor allem auf die Kurzarbeit als Mittel gegen Massenentlassungen setzen, erwartet Hundt aber, dass die Arbeitgeber das Instrument nicht »sehr viel länger als zwölf Monate« anwenden werden, »schon gar nicht 24 Monate lang«.

Hundt bekräftigte seine Forderung nach einem »Belastungsmoratorium« für die Wirtschaft: Wolle man die Erholung der Konjunktur nicht erschweren, dürfe Arbeit nicht teurer gemacht und dürften Sozialabgaben nicht angehoben werden.