• Politik
  • Endlager Gorleben wird Wahlkampfthema

Streit um den Salzstock

Union will Gorleben zu Ende erkunden, SPD will auch noch andere Standorte prüfen

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Dieser Tage wollte auch Annette Schavan mal was zu Gorleben loswerden. Mit dem Salzstock im Wendland sei doch ein geeigneter Endlager-Standort bereits gefunden, redete die Forschungsministerin im Zeitungsinterview drauf los. Bisher »hat niemand glaubhaft darlegen können, dass sich der Salzstock in Gorleben nicht eignet«. Die CDU-Politikerin, das nur zu Erinnerung, trug bis Jahresende Verantwortung für das vom Volllaufen und Einstürzen bedrohte Atommülllager Asse. Eine auch nur im Ansatz kritische Anmerkung der Ministerin zu dem maroden Bergwerk ist nicht überliefert.

Im neu entbrannten Streit um Gorleben und die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle können die Schavanschen Äußerungen allerdings getrost vernachlässigt werden. Die Parteien und übrigen Protagonisten haben ihre Positionen festgezurrt. Gorleben ist zum Wahlkampfthema geworden.

Inhaltlich geht es um nichts weniger als um die möglichst sichere Verwahrung des in deutschen Atomkraftwerken bislang und künftig produzierten Mülls für hunderttausende, wenn nicht Millionen Jahre. Das sind gewaltige zeitliche Dimensionen.

Der Salzstock im niedersächsischen Gorleben wird seit Ende der 70er Jahre auf seine Eignung als Endlager erforscht. Entgegen fachlichem Rat – bei einer Anhörung im Bundestag sprachen sich 1984 neun Experten für einen Abbruch der Untersuchungen aus. Der Salzstock habe Kontakt zum Grundwasser und verfüge nicht über ein geschlossenes Deckgebirge als Sicherheitsbarriere, warnten die Fachleute.

Die Erkundung ging dennoch weiter, und sie geriet viel zu groß. Statt 400 bis 500 Millionen Euro – so beziffert das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Kosten für die Untersuchung eines Endlagerstandortes – wurden in Gorleben schon mehr als 1,51 Milliarden verbaut. »Daraus wird deutlich, dass Gorleben bereits vor einem atomrechtlichen Planfeststellungsbeschluss in einem Umfang ausgebaut worden ist, der mit der Absicht reiner Erkundung allein nicht zu erklären ist«, so das Bundesumweltministerium. Atomgegner sprechen von einem Schwarzbau. Unter dem Deckmantel der Erkundung sei im Salzstock heimlich ein Endlager entstanden.

Erst 2000 wurden die Arbeiten im Zuge der Verhandlungen über einen »Atomkonsens« unterbrochen. Erlaubt sind seither nur Arbeiten, die ein Zuwachsen des Salzgesteins verhindern. Das Moratorium läuft nächstes Jahr im Herbst ab. Umweltminister Sigmar Gabriel und seine SPD wollen es nun verlängern und das Suchverfahren für ein Endlager neu aufrollen. Nach ihren Vorstellungen sollen in einem »transparenten und nachvollziehbaren Auswahlverfahren« zwei bis drei weitere Standorte erkundet und dann der »am besten geeignete« ausgewählt werden. Gorleben bliebe also im Spiel.

Im Verein mit der Atomwirtschaft fordern Union und FDP dagegen, dass Gorleben zügig zu Ende erkundet wird und dann möglichst schnell in Betrieb geht. Kanzlerin Angela Merkel ließ kürzlich wissen, sie habe schlichtweg »keine Lust«, noch weitere Milliarden für die Endlagersuche auszugeben. Dabei tragen – zu Recht – die AKW-Betreiber den Hauptanteil der Entsorgungskosten. Sie dürfen dafür sogar steuerfreie Rücklagen bilden. Am lautesten ist der Protest gegen Gabriels Vorschlag aber in den Ländern Bayern und Baden-Württemberg, wo die meisten Atomkraftwerke in Betrieb sind.

Kritik bekommt Gabriel aber auch von den Atomkraftgegnern. Rot-Grün wie auch Schwarz-Rot hätten das Moratorium nicht für die weitere Endlagersuche genutzt, sondern auf die lange Bank geschoben, kritisiert die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Und grundsätzlicher: Atomwirtschaft und Bundesregierung seien bei der Suche nach einer sicheren Lösung des Atommüllproblems gescheitert, sagt Anti-Atom-Urgestein Jochen Stay aus dem Wendland. »Einen wirklich sicheren Ort für ein Endlager gibt es nicht.« Die Umweltschützer verlangen deshalb, dass zuallererst die Produktion von Atommüll gestoppt werden muss. Die Atomkraftwerke gehörten sofort stillgelegt. »Wenn die Badewanne überläuft, sollte zuerst der Wasserhahn abgedreht werden, bevor man sich daran macht, den Schaden einzugrenzen.«

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