Nachspiel der VW-Kurskapriolen

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ex-Porsche-Manager

  • Lesedauer: 3 Min.
Die misslungene Übernahme-Attacke des kleinen Sportwagenbauers Porsche auf den VW-Konzern hat nun auch ein juristisches Nachspiel.

Stuttgart (ND-Stenger/dpa). Der Kurs der VW-Stammaktie spielte im Oktober 2008 verrückt: Zeitweise schoss er über die Marke von 1000 Euro hinaus. Der Autobauer Volkswagen hatte einen Marktwert von rund 300 Milliarden Euro und wurde kurzzeitig zur teuersten Aktiengesellschaft der Welt – noch vor ExxonMobil, General Electric und Microsoft. Das Börsenbarometer DAX, wo VW zeitweise ein Drittel der Marktkapitalisierung darstellte, verlor seine Aussagekraft und schwankte massiv. Indexfonds waren gezwungen, VW-Aktien wegen ihres höheren Gewichts im DAX zuzukaufen, was den Kurs weitertrieb.

Auslöser der Turbulenzen waren die Geheimniskrämerei von Porsche sowie misslungene Spekulationen auf sinkende Aktienkurse, sogenannte Leerverkäufe. Händler hatten zuvor massiv geliehene Aktien verkauft. Sie wollten sie später vor der Rückgabe an die Leihgeber zu niedrigeren Kursen wiederkaufen und die Differenz als Gewinn einstreichen. Es kam ganz anders – als Porsche entgegen früheren Aussagen mitteilte, den Anteil an Volkswagen auf 42,6 Prozent erhöht zu haben und weitere 31,5 Prozent in Form von Optionen zu kontrollieren. Damit wurden die Leerverkäufer kalt erwischt. Nach Markt-Informationen mussten sie 12 bis 15 Prozent der VW-Anteile zur Rückgabe wiederkaufen. Die Folge war eine panische Jagd auf die Papiere, die aber extrem knapp waren: Abzüglich der gut 20 Prozent des Landes Niedersachsen und der Porsche-Papiere standen rechnerisch nur noch knapp sechs Prozent zur Verfügung.

Schon damals gab es Stimmen, die das Vorgehen von Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und Finanzchef Holger Härter nicht nur als unmoralisch kritisierten, sondern auch Verstöße gegen das Wertpapierrecht witterten. Andere hielten jedoch dagegen, die Porsche-Finanzjongleure hätten Gesetzeslücken bei Optionen genutzt.

Nun sind Wiedeking, Härter und weitere Manager ins Visier der Justiz geraten. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart sagte, nach Hinweisen der Finanzaufsicht BaFin sei ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangverdachts der Marktmanipulation und der unbefugten Weitergabe von Insi-derinformationen eingeleitet worden. Von Porsche wurden die Vor-würfe zurückgewiesen und mitgeteilt, das Unternehmen werde mit den Ermittlern zusammenarbeiten. Eine BaFin-Sprecherin verwies auf eine Anzeige von Anfang August, die sich auf einen Teilaspekt beziehe. Die Untersuchung der Übernahme sei noch nicht abgeschlossen.

Die Finanzaufsicht beschäftigt sich auch mit den jüngsten Turbulenzen. Die VW-Stämme brachen um fast 40 Prozent ein, nachdem das Emirat Katar Porsche einen Großteil der Optionen abgekauft hatte. Spekulationen, diese Aktien könnten wegen der zu geringen noch frei verfügbaren Anzahl bald aus dem DAX fliegen, drücken den Kurs weiter. Die stimmrechtslosen VW-Vorzugsaktien legten dagegen seit Wochenbeginn deutlich zu.

Eine weitere Kapriole: Porsche wies für 2008 als Folge des hohen Kurses der VW-Aktien einen Gewinn aus, der höher war als der gesamte Umsatz. Dies hat sich durch den stark gefallenen Kurs in Luft aufgelöst; Porsche macht auch wegen der allgemeinen Autokrise hohe Verluste. Gleichzeitig sitzt man auf einem riesigen Schuldenberg, denn die angestrebte VW-Übernahme war auf Pump finanziert worden. Wiedeking und Härter mussten ihren Hut nehmen und VW schluckt nun Porsche.

Die Börse reagierte seinerzeit rasch und änderte ihr Regelwerk für die Indexberechnung. Nur die Politik schlief weiter – das Aktienrecht ist so lückenhaft wie zuvor.

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