Mapuche kämpfen für Rückübertragungen

Chiles Indígenas wollen sich von der Regierung nicht mehr abspeisen lassen

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 3 Min.
Die chilenischen Mapuche-Indígenas stehen am Rand der Gesellschaft. Ihre Proteste für die Rückgabe von Ländereien reißen nicht ab.

Die Kampfansage ist unüberhörbar: »Die Mobilisierungen gehen weiter, sie werden nicht aufhören. Unseren traditionellen Autoritäten und mobilisierten Gemeinschaften haben wir gesagt, dass wir direkt mit der Präsidentin anstatt mit Zwischenhändlern reden wollen«, teilte Mapuche-Vertreter Manuel Calfuqueo am Sonntag die Entscheidung eines Treffens der ethnischen Minderheit mit. Als Gegenleistung für eine Gesprächsrunde mit Michelle Bachelet wurde eine »Waffenruhe« versprochen, die seit Juli anhaltenden Proteste, Landbesetzungen und Angriffe auf Überlandbusse würden ausgesetzt. Im rund 650 Kilometer südlich von der Hauptstadt Santiago de Chile gelegenen Puerto Domínguez waren die lonkos und werkenes (gewählte Stammesvertreter) am Wochenende zusammengekommen, um »ein politisch-technisches Team aufzustellen«, so Calfuqueo. Das Team soll die Forderungen der Mapuche formulieren und der Regierung übermitteln.

Auch der Gedenkmarsch für die Familie von Jaime Mendoza Collío wurde für Montag (n. Redschluss) angekündigt. Er sollte durch die Distriktshauptstadt Temuco von »La Araucanía«, dem Hauptsiedlungsgebiet der Mapuche, führen. Am 12. August war der 24-jährige Jaime Mendoza Collío im Range eines weichafe (Kämpfer) bei Zusammenstößen zwischen schwer bewaffneten Spezialeinheiten der chilenischen Carabinero-Polizei und Mapuche-Aktivisten mit mehreren Schüssen in den Rücken getötet worden.

»Mit dieser repressiven Haltung und der Forderung einiger politischer Sektoren, die noch mehr Polizeipräsenz fordern, noch mehr Gewalt, noch mehr Härte, werden wir den Konflikt nicht lösen, sondern nur noch mehr Benzin ins Feuer gießen«, mahnte Manuel Camilo Vial, Bischof von Temuco und Präsident der »Stiftung Institut Indígena« an. Den landesweiten Medien wirft er Skandalisierung und Kriminalisierung der »historischen Forderung der Mapuche« vor. Die rund 800 000 im südamerikanischen Land lebenden Indigenen (acht Prozent der Bevölkerung) werden als »Eingeborene« dargestellt, als primitive Störenfriede gefährdeten sie den »sozialen Frieden und die Ruhe« in Chile.

Doch werden die Mapuche im Namen von »Entwicklung und Fortschritt« immer weiter an den Rand gedrängt. »Ganz Chile« bezahle jetzt für die »Fehler der Vergangenheit«, die Enteignungen von Mapuche-Land – heute zugunsten internationaler Agroindustrie-Multis, früher zugunsten europäischer Siedler aus Italien und Deutschland – sowie deren gesellschaftliche Ausgrenzung seien eine »alte soziale Sünde«. Zugleich bot der Bischof die Vermittlung der katholischen Kirche an. »Wichtiger als zu vermitteln wäre die Wiederherstellung der Mapuche-Gemeinschaftsrechte an besetzten Länderein, die sich in den Händen der Kirche und all der »Katholiken« befinden, die das Land, den Staat und die Medien kontrollieren und gewohnt sind, uns schlecht zu behandeln, zu schaden und zu treten«, entgegnet dem Angebot ein auf dem Internetportal Mapuexpress veröffentlichter Forderungskatalog.

Widerstand sind die Mapuche gewohnt. Über 300 Jahre wehrten sich die Ureinwohner Chiles, die traditionell zwischen den aus den Anden in den Pazifik fließenden Flüssen Bío Bío und Toltén siedeln, gegen die spanischen Konquistadoren. Erst 1883 wurden sie besiegt, seitdem leben sie in Reservaten. Ihre Sprache Mapudungun wird in der Schule als Nebenfach angeboten. Doch gehört die Minderheit weiter zu den Verlierern im wohlhabendsten Land des Kontinents: Rund jeder fünfte gehört zur Kategorie der relativ oder gar absolut Armen. Letztere leben statistisch von weniger als 1,25 Dollar pro Kopf und Tag.

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