Charme und Werbung im Kiez

Stefan Liebich im Gespräch mit Gewerbetreibenden in Prenzlauer Berg

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Sonne strahlt auf die Kastanienallee, zwischen den parkenden Autos und den Sonnendächern der Lokale schwirren Wespen und Gerüche von Pizza, Kaffee und Kuchen. Im Schatten vor der La Famiglia trattoria & bar sitzen Stefan Liebich und Giyasettin Sayan, Abgeordnete der Linkspartei, zwischen sich eine Schachtel mit Flyern.

Liebich ist unterwegs in Wahlkampfmission und besucht im Kiez rings um Kastanienallee und Oderberger Straße Gastronomen und Geschäftsinhaber, die ihm in den vergangenen Wochen ihre Unterstützung im Wahlkampf zugesichert haben. Giyasettin Sayan, flüchtlingspolitischer Sprecher der LINKEN im Abgeordnetenhaus, hat Unterschriften gesammelt und eine Liste zusammengestellt. Unterschrieben haben vorwiegend Menschen kurdischer Herkunft, die seit vielen Jahrzehnten in Berlin leben und arbeiten. Es sei das erste Mal, dass man sich an so einen direkten Wahlkampf wage, bisher hätte man sich das nicht getraut, sagt Liebich. Im Bezirk Pankow tritt er gegen den SPD-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Thierse und gegen Gottfried Ludewig, den Kandidaten der CDU, an.

Exemplarisch verteilt Liebich an diesem Montagnachmittag Flyer mit seinem Konterfei und Informationen zum Programm der Linkspartei in drei Lokalen. Zu den Gesprächstermin sind die jeweiligen Inhaber geladen. Masoum Celibi, Inhaber der La Famiglia, begrüßt die Abgeordneten lächelnd und beglückwünscht sie anlässlich der Wahlergebnisse des vergangenen Wochenendes: »Jetzt sind wir drittstärkste Partei!« Die Zeit bis zur Bundestagswahl werde doch nun wie im Flug vergehen. Liebich wehrt ab, »für mich werden das extrem lange vier Wochen«.

Das Gespräch dreht sich hier vor allem um geplante Umbaumaßnahmen der Kastanienallee. Die Gehwege sollen an moderne Standards angepasst werden, doch die Anwohner protestieren nun in einer Bürgerinitiative. Vor allem die Zugezogenen seien dagegen, den Charme des Viertels zu zerstören – seinetwegen seien sie schließlich hierhergezogen, so Liebich.

Ob die Baumaßnahmen auch Konsequenzen für die örtliche Gastronomie hätten? Celibi nickt. Gerade erst wären die Bauarbeiten an den Straßenbahngleisen beendet, nun schon wieder so ein Großprojekt, das sei nicht gut. Wegen der Wirtschaftskrise habe er Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent. In der Sonne schieben eben jene Zugezogenen Kinderwagen übers holprige Pflaster, sprechen im tiefsten Schwäbisch in ihre Handys. Die Modernisierung soll den Verkehr in der Kastanienallee flüssiger fließen lassen, Radwege solle es geben und weniger Platz zum Parken, so Liebich.

Stefan Liebich kennt den Kiez, lange hat er in der Oderberger Straße gewohnt. Im Café und Restaurant La Paz, das er besucht, habe er mit Parteikollegen Benjamin Hoff, Staatssekretär der Senatsverwaltung für Gesundheit Abende ausklingen lassen. Das Geschäft im Kiez sei etwas ruhiger geworden, berichtet der Inhaber des La Paz. Auch sei es vor einigen Jahren leicht gewesen, die Stellen im Restaurant mit Studenten zu besetzen, die einen Nebenjob suchen. Das habe sich geändert, heute erhalte er nur wenige Anfragen von Jobsuchenden, die kaum Deutsch können. Was er denn in wirtschaftspolitischer Hinsicht von der Politik, beziehungsweise der LINKEN erwarte, fragt Liebich den Restaurantinhaber. Der lacht ein wenig. »Wenn die Taschen leer sind, sind die Taschen leer«, sagt er.

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