Wie frei ist die Politische Bildung?

  • Ulf Buschmann, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bremer Landeszentrale für politische Bildung hat linke Veranstaltungen aus dem Begleitprogramm einer Ausstellung über die Wehrmacht gestrichen. Anlass, über die Aufgabe der Erwachsenenbildung zu diskutieren.

Im Mai und Juni war im Bremer Rathaus die viel gelobte Ausstellung »Was damals Recht war – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht« zu sehen. Doch das Drumherum hat bei diversen Gruppen Sodbrennen verursacht: Bis heute stößt es ihnen sauer auf, dass einige Veranstaltungen nicht im späteren Begleitprogramm der Ausstellung auftauchten. Dafür machen linke Bremer Gruppen den Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, Herbert Wulfekuhl, verantwortlich. Er habe die Streichungen eigenmächtig vorgenommen. Betroffen waren Diskussionen über die Auslandseinsätze der Bundeswehr und die aktuelle Sicherheitspolitik. Sie sollten den Bogen schlagen vom historischen Ausstellungsthema ins Heute.

Was sagt das über den Zustand der politischen Bildung? Darüber diskutierten die Bremer am Dienstagabend auf Einladung der Georg-Elser-Initiative unter dem Titel »Die Schere im Kopf?« Die Diskussion im DGB-Haus drehte sich um Meinungsfreiheit und um die Frage, welchen Grenzen die politische Bildung unterliegt. Wulfekuhl selbst war der Einladung nicht gefolgt. Er hatte die Diskussion zuvor in der »taz« als »Tribunal« bezeichnet. Auch gegenüber ND wies Wulfekuhl den Vorwurf der Zensur zurück. Vielmehr sei die »Wissenschaftlichkeit« der Veranstaltungen nicht gegeben gewesen.

Mehr als ein lokaler Streit

Was sich anfangs wie ein lokaler Streit zwischen den betroffenen Gruppen wie der Roten Hilfe, der Bremer Antikapitalistischen Linken und der Georg-Elser-Initiative darstellte, entpuppte sich auf der Veranstaltung als ein tieferliegendes Schiff. »Gedenkveranstaltungen wie die im Frühsommer sollen von dem ablenken, was heute geschieht«, lautete die grundsätzliche Einschätzung von Rudolph Bauer, Sozialwissenschaftler und Autor. Die Podiumsteilnehmer – neben Bauer der Rechtsanwalt und Publizist Rolf Gössner, der Erziehungswissenschaftler Freerk Huisken und der Rechtsanwalt Fabian Rust als Vertreter der Roten Hilfe – sprachen ebenfalls von »Zensur« seitens der Landeszentrale für politische Bildung. Gössner befand zudem, das Streichen von linken Veranstaltungen sei der »Versuch einer präventiven Gesinnungskontrolle«.

Huisken bewertete den Vorfall anders. Aus seiner Sicht habe die Landeszentrale nicht gegen das Grundgesetz verstoßen. Für den Wissenschaftler und Autor der marxistischen Zeitschrift »GegenStandpunkt« steckt der Fehler im System. Wie sich dem Text des Grundgesetzes entnehmen lasse, gewähre der Staat die Meinungsfreiheit – um sie mit anderen Gesetzen wieder einzuschränken, so Huisken. Genau das sei in Bremen eben geschehen.

Auch in anderen Bundesländern gibt es fragwürdige Entwicklungen. So hat das Kultusministerium in Rheinland-Pfalz einen Vertrag mit der Bundeswehr geschlossen, der es dieser erlaubt, explizit Werbung in den Schulen machen zu dürfen. Dagegen regte sich jedoch aus der Schülerschaft massiv Widerstand. Und in Niedersachsen gibt es seit einigen Jahren gar keine Landeszentrale für politische Bildung mehr. Diese Aufgabe sollen jetzt Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutzes übernehmen. Innenminister Schünemann hatte seine Idee vergangene Woche als »neuen Weg in der Öffentlichkeitsarbeit des Geheimdienstes« bezeichnet.

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