nd-aktuell.de / 17.09.2009 / Kultur / Seite 9

»Dafür strafe ich das Fernsehen«

Heute, ARD: Dirty Harry ist zurück. Harald Schmidt gesteht, ein beflissener Kleinbürger zu sein

Harald Schmidt, Entertainer und Zyniker vom Dienst, will beweisen, dass er seinen alten Biss noch hat. Seine neue Show »Harald Schmidt« ist laut ARD das Late-Night-Korrektiv, das die Geschehnisse der Woche aus Politik, Kultur, Sport und Entertainment wieder richtig einordnet. Unterstützt wird Schmidt künftig von Arte- und 3sat-Moderatorin Katrin Bauerfeind, 1Live-Comedian Jan Böhmermann und Peter Richter von der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. Olaf Neumann traf den Talker zum Interview.

ND: Herr Schmidt, Sie haben einen Vertrag über zwei Jahre unterschrieben. Fühlen Sie sich bestätigt in Ihrem bisherigen Schaffen oder sind Sie auch selbstkritisch?
Schmidt: Ich bin schon selbstkritisch, aber das führt nicht dazu, dass ich von Selbstzweifeln zernagt werde. Ich habe immer ein sehr gutes Verhältnis zur ARD gehabt, selbst in den Zeiten, als ich nicht für sie gearbeitet habe. Das ist komischerweise immer in den Medien ein Thema, zwischen dem Sender und mir war das aber nie der Fall. Die ganze Aufregung mit Gremien und Redakteuren, die ich überall lese, hatte ich aber nie.

2007 sagten Sie dem »Spiegel«, mit Late Night seien Sie fertig. Nun kehren Sie mit einer wöchentlichen Show zurück ...
Das ist ein Satz, den ich einfach dem »Spiegel« hinhaue, weil ich weiß, es wird eine Überschrift. Dass die ihn abdrucken, ist nicht mein Thema. So ein Satz ist in dem Moment nicht mehr gültig, in dem er meine Lippen verlässt. Jetzt schaue ich einfach nach vorne. Was wir machen, ist eine Kultursendung mit einem Unterhaltungsetat.

Zum Team gehören ein Redakteur der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« und ein 1Live-Comedian. Wollen Sie den Beweis erbringen, dass es zwischen E- und U-Kultur keine Grenze gibt?
Das war schon immer mein Bestreben. Im Grunde genommen bin ich ein beflissener Kleinbürger, der sein Leben lang dagegen kämpft, dass er am Theater nicht die große Nummer geworden ist. Dafür strafe ich das Fernsehen. Die letzten 20 Jahre hat es da bombastisch funktioniert. Man kann also nicht alles haben. Jetzt ist aber der Zeitpunkt gekommen, das Ganze wieder etwas rückzuentwickeln. Ich richte das Chaos an, indem ich den Kulturauftrag ernst nehme. Das ist wie Stan & Ollie: Wenn das Straßenschild nach oben zeigt, gehen sie die Hauswand hoch.

Was ist das Besondere an Ihrer neuen Show?
Ich glaube wirklich, dass wir ein sensationelles Format erfunden haben. Der Schwerpunkt liegt auf Politik und Kultur. Eine Premiere am Burgtheater ist für uns genauso wichtig wie der Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Unter diesen Schwerpunkten werden wir versuchen, Woche für Woche eine Balance herzustellen. Boulevard findet nur ganz am Rande statt. Das Schöne ist, wir haben keinen Zeitdruck. Wer hat heutzutage noch einen Zweijahresvertrag?

Warum ist Langzeit-Sidekick Manuel Andrack nicht dabei?
Ich habe zu Manuel Andrack keinen Kontakt mehr, seit er nicht mehr bei uns ist. Ich habe den Eindruck, er ist sehr glücklich und zufrieden mit seinem jetzigen Leben. Ich hatte drei Partner, seit ich Late Night mache: Feuerstein, Andrack und Pocher. Für alle drei hat es sich extrem gelohnt. Mein Wunsch wäre, dass sich aus den aktuellen Kollegen über die Zeit ein neuer Sidekick entwickelt. Denn der gehört zu einer Late Night Show eigentlich dazu.

Da es ganz allein nicht geht, steht Ihnen auch 3Sat-Moderatorin Katrin Bauerfeind zur Seite. Ist sie das Korrektiv, das ein wenig weibliche Erziehungsarbeit verrichtet?
Nee. In Sachen Erziehung bin ich selbst der größte Experte. Ich kenne ganz wenige wirklich gute Frauen in der Fernsehunterhaltung. Und wir haben gleich zwei, die ganz weit vorne sind: Katrin Bauerfeind und Caroline Korneli.

Warum gibt es im Fernsehen so wenige weibliche Talente?
(lacht) Ich glaube, das ist genetisch bedingt.

Lassen Sie das Publikum wieder mitmachen?
Nur ganz begrenzt. Zunächst soll unser eigenes Material präsentiert werden. Wobei ich in den Einspielern auch oft selbst stattfinden werde. Wenig Sinn macht es, alte Kunstfiguren wie Vatter Teresa wieder aufleben zu lassen. Ich werde auch immer noch nach den beiden Chinesen gefragt. Es gibt sogar Leute, die immer noch sagen: Meine beste Zeit war unter Adenauer.

Ihr Bart bleibt aber dran?
Ja. Hauptsächlich, um den Medien Futter zu liefern. Das wird mich nach meiner Erfahrung bis ins nächste Frühjahr tragen. Der Bart ist ein kleines Hilfsmittel, um von großen Schlachtfeldern abzulenken. Auf der Straße bekomme ich Reaktionen wie »Mach doch weg« oder »Super«. Der Oscar-Preisträger Ang Lee, der aktuell den Film »Taking Woodstock« gedreht hat, beschwerte sich in einem Interview darüber, dass man heutzutage keine jungen Menschen mit Schamhaaren mehr fände. Die hätte er für seinen Woodstock-Film nämlich dringend gebraucht. Ich persönlich spare mir den Bereich unterhalb der Gürtellinie für das nächste ARD-Projekt.

Beim NDR gibt es einen handfesten Drehbuch-Skandal. Der Sender hat einen internen Anti-Korruptionsbeauftragten eingesetzt. Können Sie dieser Situation etwas Komisches abgewinnen?
Das ist nicht mein Bier. Der frühere Programmdirektor hat zu mir gesagt: »Selbstverständlich erwarte ich von Ihnen, dass Sie korrupt sind, aber nicht unter zehn Millionen.« Unsere Welt wäre besser, wenn mehr Leute diesen Rat beherzigen würden.

Harald Schmidt, ab heute donnerstags um 22.45 Uhr im Ersten