Geschichte à la carte

Vor über 100 Jahren hieß ein Gartenlokal in der Potsdamer Jägerallee »Wieles Volkspark«. Der Regimentskommandeur der Garde-Ulanen in der gegenüber liegenden Kaserne verbot seinen Soldaten den Besuch, da der Name Volkspark einen sozialdemokratischen Ruch habe und umstürzlerische Gedanken wecken könnte. Erst als die Gastwirtsfamilie ihr Haus in »Wieles Gartenrestaurant« umbenannte, durften die Soldaten hier einkehren. Inzwischen heißt das Restaurant »Speckers Landhaus«.

So steht es geschrieben in dem Buch »Historische Gasthöfe in Brandenburg«. Autor Günter Köhler und Herausgeber Friedhold Birnstiel präsentierten es gestern im Krongut Bornstedt.

Vorher gab es bereits einen Band mit historischen Gasthöfen in Berlin und in Brandenburg. Schon darin vorgestellt waren der Goldene Hahn in Finsterwalde oder der Ritterhof in Kampehl. Nun gibt es also ein eigenes Werk nur für die Mark. Das Konzept blieb dabei unverändert: Neben den in Restaurantführern üblichen Angaben – etwa die Aufzählung einiger dort servierter Gerichte, Adresse und Öffnungszeiten – gibt es Schilderungen der Geschichte. Das steht in den meisten Beiträgen sogar im Vordergrund.

So erfährt der Leser, wie es dazu kam, dass um die Wende zum 20. Jahrhundert Kunstmaler für Ausflüge in den Spreewald warben. Die Idee hatte der Görlitzer Kunstprofessor Woite, der seit den 1880er Jahren regelmäßig im Gasthaus zum fröhlichen Hecht in Lehde abstieg. Woite veranlasste den Gastwirt, Werbeprospekte an Künstler in ganz Deutschland zu versenden. In den Prospekten wurde der Spreewald als Motiv in den höchsten Tönen gepriesen. »Und tatsächlich – sie kamen, sahen und malten.« So habe der Gasthof zum fröhlichen Hecht Pionierarbeit für den Tourismus im Spreewald geleistet, heißt es.

Viele Gasthäuser zehren von dem Ruf, dass dort einst Prominente tafelten. In der Potsdamer Schänke »Der Klosterkeller« trafen sich die Schauspieler, die in den Babelsberger Filmstudios drehten, darunter Lilian Harvey, Willy Fritsch, Hans Albers und Heinz Rühmann. An der Gaststätte Baumgartenbrück lagerte 1809 der Freischärler Ferdinand von Schill, bevor er nach Stralsund zog und dort im Kampf mit den napoleonischen Truppen den Tod fand. In dem Haus in Angermünde, in dem sich heute das Restaurant Wallenstein befindet, nahm 1628 Feldherr Albrecht von Wallenstein Quartier. Von hier aus forderte er die Bürger Stralsunds zur Übergabe ihrer Stadt auf. Mit Schloss Liebenberg ist der Name von Libertas Schulze-Boysen verbunden. Sie gehörte zu der berühmten Widerstandsorganisation Rote Kapelle. Die Faschisten ermordeten sie im Dezember 1942.

Einige Gasthöfe laden seit Jahrhunderten zur Einkehr ein, andere dienten zwischenzeitlich als Kindergarten, als Schulungsheim für Forstarbeiter oder als Gästehaus der Pneumant-Werke.

Günter Köhler und Friedhold Birnstiel: »Historische Gasthöfe in Brandenburg«, be.bra, 144 Seiten (gebunden), 22 Euro, ND-Bestellservice, Tel.: (030) 29 78 17 77

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