Schleichwerbung auf Schleichwegen

  • Anja Pasquay
  • Lesedauer: 3 Min.

Die deutschen Zeitungsverleger streiten seit Jahren mit der EU-Kommission erbittert über das so genannte Product Placement. In der Öffentlichkeit blieb das weitgehend unbemerkt. Was nur zu verständlich ist, denn Product Placement – das klingt abstrakt und wertfrei, schlicht ein bisschen langweilig. Worum geht es eigentlich? Gemeint ist die bezahlte Einschleusung von Produkten oder Botschaften im Fernsehen, ohne dass der Zuschauer dies als Werbung identifiziert. Auf gut deutsch: Schleichwerbung.

Im Film ist Product Placement legal, im Fernsehen hingegen war es das bisher nicht. Im privat produzierten Kinofilm ist Product Placement – man denke etwa an James Bonds fabelhafte Autos – fester Bestandteil der Finanzierung. Beim Fernsehen galt Schleichwerbung in Deutschland, wie in vielen anderen europäischen Ländern, als strikt tabu. Damit entgeht den TV-Sendern natürlich eine zusätzliche Finanzierungsquelle. Obendrein geraten europäische Fernsehproduktionen nach Auffassung der EU-Kommission mit solchen Beschränkungen gegenüber US-amerikanischen Angeboten und deren enormen Budgets ins Hintertreffen.

Die EU-Kommission wollte dies ändern und fasste zunächst den Plan, Product Placement im Fernsehen europaweit zu erlauben. Angesichts des hinhaltenden Widerstands u.a. der deutschen Zeitungsverleger plädierte die Kommission schließlich jedoch für ein Verbot – allerdings handelt es sich dabei um eine Mogelpackung: Es gibt so viele Ausnahmen, dass Schleichwerbung im deutschen Fernsehen, zumindest was die EU-Richtlinie angeht, heute weitgehend legal wäre.

Wieso aber wehren sich die Zeitungsverleger, die mit dem Medium Fernsehen doch eher wenig zu tun haben, gegen die Umsetzung der EU-Fernseh-Richtlinie in deutsches Recht? Bisher wurden hier redaktionelle Inhalte und Werbung streng getrennt. Das Ziel: Der Verbraucher soll nicht in die Irre geführt werden. Wenn Dritte, etwa die Werbung treibende Wirtschaft, für inhaltliche Aussagen bezahlen, muss dies auch eindeutig als Werbung gekennzeichnet werden. Nur so bleibt die Glaubwürdigkeit des Mediums gewahrt.

Schleichwerbung im Fernsehen würde diese Glaubwürdigkeit leichtfertig korrumpieren, und zwar in allen Medien. Obendrein, so befürchten die Zeitungsverleger, könnte die nunmehr erlaubte Vermischung von Inhalten und Werbung im TV bei den Werbeagenturen zu Begehrlichkeiten gegenüber anderen Medien führen. Da ist nur schwer zu vermitteln, dass die Zeitungen nicht tun wollen, was das konkurrierende Fernseh-Medium dürfen muss. Dass ausgerechnet die EU-Kommission, die die Irreführung der Verbraucher durch Product Placement ermöglicht, gleichzeitig reihenweise Werbeverbote zum Schutz eben dieser Verbraucher initiiert, ist eine Groteske am Rande.

Mit dem 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag sollen nun Fakten geschaffen werden. Die Chefs der Staatskanzleien haben sich darauf geeinigt, dass in Zukunft auch Fremdproduktionen, die die Sender im Ausland einkaufen, gekennzeichnet werden müssen, sobald sie Product Placement enthalten – allerdings nur, wenn sich dies »mit zumutbarem Aufwand ermitteln« lässt. Und auch nur bei Produktionen, die nach dem 19. Dezember 2009 entstehen.

Die EU-Mogelpackung ist im deutschen Fernsehen angekommen. Kostenlose Produktionshilfen – schamhaft auch Produktbeistellungen genannt – bleiben bei fiktionalen Stoffen und Unterhaltungssendungen erlaubt. Ausgenommen werden nur Nachrichten, Kindersendungen, Gottesdienste sowie Ratgebersendungen. Der »Kölner Stadt-Anzeiger« kommentierte die »Art und Weise, wie das neue Gesetz jedweder Form von Schleichwerbung Schlupflöcher eröffnet«, vor kurzem schlicht als »eine Art konjunkturfördernde Rundfunkstaatsvertrags-Abwrackprämie«.

Die Autorin ist Pressereferentin des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Berlin.

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