Endgültiges Aus für Datteln?

Umweltschützer Thomas Krämerkämper über E.on und den Kraftwerksbau

  • Lesedauer: 3 Min.
Dr. Thomas Krämerkämper, 42, ist BUND-Projektleiter für das E.on-Kraftwerk Datteln und das Trianel Kraftwerk Lünen.
Dr. Thomas Krämerkämper, 42, ist BUND-Projektleiter für das E.on-Kraftwerk Datteln und das Trianel Kraftwerk Lünen.

ND: Wird das 1,2 Milliarden Euro teure Kraftwerk weitergebaut?
Krämerkämper: Ich bin mir sicher, dass das Kraftwerk eine Investitionsruine ist. Es werden zwar noch Restarbeiten ausgeführt und es werden auch noch neue Arbeiten von E.on beantragt, die seltsamerweise auch genehmigt werden. Mittelfristig müssen die Bauarbeiten aber ganz eingestellt werden. Der ganze Komplex wird abgerissen.

Sie glauben nicht, dass die Landesregierung noch entscheidenden Einfluss auf die Justiz hat?
Sie versucht, Einfluss zu nehmen, wobei interessant ist, wie sie das macht. Wirtschaftsministerin Christa Thoben hat zusammen mit ihrer Ankündigung, den Landesentwicklungsplan ändern zu wollen, eingestanden, dass die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht kaum Chancen hat. Dort will sie die von den Münsteraner Richtern ausgesprochene Nichtzulassung einer Revision aufheben lassen. Dabei weiß sie, dass sie juristisch nicht siegen kann und will so nur von ihrer Verantwortung bei der Genehmigung der Kraftwerksfehlplanung ablenken.

Hat die rot-grüne Landesregierung vor fünf Jahren nicht die ersten Weichen zum Kraftwerksbau in Datteln gestellt?
Der Regionalplan, in dem die Kraftwerksfläche ausgewiesen wurde, stammt von 2005. Schon damals stand dies im Widerspruch zum Landesentwicklungsplan. Tatsächlich ist dieser Fehler teilweise von der ehemaligen rot-grünen Landesregierung zu verantworten. Der damalige Ministerpräsident Wolfgang Clement hatte zu Beginn der Koalition der grünen Umweltministerin Bärbel Höhn die gesamte Zuständigkeit für die Raumordnung weggenommen und dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium zugeschlagen.

Die Landesregierung sprach kürzlich davon, dass wegen der BUND-Klage im Bau befindliche und sogar in Betrieb genommene Kraftwerke vor dem Aus stehen.
Das ist Panikmache und völliger Unsinn. Christa Thoben sprach laut Presseberichten von 18 Kraftwerken, deren Betrieb gefährdet sei. Gerichtlich können Kläger jedoch nur gewinnen, wenn Planungen tatsächlich rechtswidrig sind. Bei in Betrieb befindlichen Kraftwerken sind zudem alle Klagefristen abgelaufen. Thoben möchte mit diesem Horrorszenario öffentlich Druck ausüben, um die Gesetzeslage nachträglich den Wünschen von E.on anpassen zu können.

Warum stellt sich das Problem der unrechtmäßig erteilten Genehmigungen erst jetzt?
Erst seit wenigen Jahren gibt es ein Verbandsklagerecht. Dies beruht auf Vorschriften der EU. Man hatte in Brüssel erkannt, dass gerade im Umweltbereich die Möglichkeit geschaffen werden muss, dass Verbände klagen dürfen, damit es überhaupt zur rechtlichen Überprüfung umweltschädlicher Vorhaben kommen kann.

Kommt beim BUND eigentlich der Strom aus der Steckdose?
Dieser Standardvorwurf ist natürlich Unfug. Das Solar-Institut Jülich und die Fachhochschule Aachen teilten gerade erst in einer Studie mit, dass trotz eines Ausstiegs aus der Kernenergie und ohne Zubau weiterer Kraftwerke die Stromversorgung gesichert ist. Es gibt eine viel zu große Kraftwerkskapazität und vor allem zu viele schwer regelbare Grundlastkraftwerke. Besonders die großen Atomkraftwerke und Steinkohlekraftwerke können nur langsam runtergefahren werden, wenn kein Bedarf ist. Wenn man verstärkt erneuerbare Energien nutzen will, deren Verfügbarkeit tageszeitlich schwankt, braucht man kleine, schneller steuerbare Kraftwerke.

Fragen: Lutz Debus

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