Arbeitsunfähigkeit: Beim privaten Krankentagegeld gibt es keine 78-Wochen-Frist

Krankenkasse

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Viele Selbstständige haben ihr Krankengeld über eine private Tagegeldpolice abgesichert. Bei einer Erkrankung lassen sie sich aber vom Arzt oft nicht krankschreiben. Zum einen haben sie keinen Arbeitgeber, der nach Vorlage des Krankenscheins den Lohn sechs Wochen lang weiterzahlt. Zum anderen hoffen sie, ohnehin wieder gesund zu sein, bevor das private Krankentagegeld gezahlt wird. Doch der Verzicht auf die ordentliche Krankschreibung kann ein Fehler sein. Darauf macht noch einmal der Berliner Pressedienst aufmerksam.

Wenn etwa aus dem grippalen Infekt eine ausgewachsene Lungenentzündung wird und der Selbstständige wochenlang ausfällt, verschenkt er unter Umständen bares Geld – weil er sich zu spät die Arbeitsunfähigkeit attestieren lies. Denn erst damit beginnt die Karenzzeit bis zur Auszahlung des Krankentagegeldes.

Die ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit ist der Versicherung unverzüglich zuzuschicken. Unverzüglich heißt: ohne schuldhaftes Verzögern. Wie kulant mit dieser Vorschrift umgegangen wird, kann je nach Anbieter unterschiedlich sein. Auf jeden Fall muss der Krankenschein spätestens bis zum Tag des Auszahlungsbeginns vorliegen. Versäumt man das, kann das bis zum Zugang des Attestes fällige Krankentagegeld laut Vertragsbedingungen gekürzt werden oder im Extremfall sogar ganz entfallen.

Eine andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muss der Versicherung regelmäßig nachgewiesen werden – das kann beispielsweise alle zwei Wochen sein. Dafür muss der behandelnde Arzt einen entsprechenden Vordruck der Versicherung ausfüllen.

Den Begriff »Arbeitsunfähigkeit« in den Vertragsbedingungen sollte man übrigens sehr ernst nehmen: Krankentagegeld gibt es nur, wenn der Betreffende nach medizinischem Befund seinen Beruf tatsächlich nicht ausüben kann und auch keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht. Wer beispielsweise als Architekt während der Krankschreibung von zu Hause aus weiter Kunden akquiriert oder Kostenvoranschläge verschickt, riskiert sein Tagegeld.

Gezahlt wird das private Krankentagegeld bis zur Gesundung – eine zeitliche Begrenzung auf maximal 78 Wochen, wie bei den gesetzlichen Kassen, gibt es nicht. Abgesehen davon, endet die Tagegeldzahlung, wenn der Betreffende berufsunfähig wird, ansonsten spätestens mit dem 65. Geburtstag. Manche Anbieter bieten aber auch Verträge an, die über das 65. Lebensjahr hinaus privates Krankentagegeld zahlen.

Übrigens: Selbstständige, die freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Kasse sind, müssen seit diesem Jahr nach einheitlichen Regeln alle ihre Einkünfte gegenüber der Kasse nachweisen. Im Unterschied zu Pflichtmitgliedern zahlen die Freiwilligen den Beitrag nicht nur für das Arbeitseinkommen, sondern auf der Basis ihrer gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Das ist zwar schon seit Jahren so, doch wie diese Leistungsfähigkeit praktisch erfasst wurde, konnte jede Kasse relativ eigenständig festlegen. Der Aufwand, die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Mitglieder im Detail zu durchleuchten, hielt sich bei vielen Kassen in Grenzen.

Ende 2008 hat der Spitzenverband der gesetzlichen Kassen »Einheitliche Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder« beschlossen. Von allen Kassen werden nun unter anderem erfasst: die Erwerbseinkünfte, gesetzliche und private Renten, Zahlungen der Unfallversicherung, Betriebsrenten und Pensionen, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, Abfindungen sowie Zinsen aus Spareinlagen – wobei es hier keinen Sparerfreibetrag gibt. Selbst das Pflegegeld, das man von einem pflegebedürftigen Angehörigen bekommt, ist beitragspflichtig. Ist der Ehe- oder Lebenspartner kein Kassenmitglied, sondern privat krankenversichert, müssen auch dessen Einnahmen angegeben werden. Denn auch dafür verlangt die gesetzliche Kasse unter Umständen Beiträge, wobei es für unterhaltsberechtigte Kinder Abzüge vom beitragspflichtigen Einkommen gibt.

Addiert wird alles bis zur Bemessungsgrenze von 3675 Euro im Monat. Das ist dann die Grundlage für die Beitragsberechnung. Es reicht aber nicht, nur die entsprechenden Zahlen im Fragebogen einzutragen und zu unterschreiben. Der Kasse sind laut Paragraf 6 der »Grundsätze« immer aktuelle Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen vorzulegen, sofern sie nicht – wie die Rente – durch Dritte gemeldet werden.

Wer dem nicht nachkommt, muss den Höchstbeitrag von derzeit rund 570 Euro im Monat zahlen. Laut Spitzenverband sind die Einkommensverhältnisse jährlich zu überprüfen. In Ausnahmefällen kann das aber auch im 2-Jahres-Rhythmus erfolgen. Letzteres betrifft beispielsweise freiwillig versicherte Rentner, die außer der Altersrente keine weiteren Einkünfte haben.

Die umfassende Datenerhebung einerseits und die Berücksichtigung aller Einkünfte für den Kassenbeitrag andererseits betreffen zwar derzeit nur die freiwillig gesetzlich Versicherten. Doch das muss nicht so bleiben.

Denn das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im Jahr 2000 festgestellt, dass auch Pflichtversicherte etwa durch Erbschaften und Schenkungen Vermögen bilden und der »Anteil der Löhne und Gehälter am individuell verfügbaren Einkommen« geringer wird. »Trifft dies in größerem Umfang zu, so wäre es nicht mehr gerechtfertigt, bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge der Pflichtversicherten – anders als bei den freiwillig Versicherten – bestimmte Einkünfte unberücksichtigt zu lassen«, so das Gericht.

Wenn sich die Erfassung aller Vermögensverhältnisse bei den freiwillig versicherten Kassenmitgliedern als praktikabel erweist, spricht aus höchstrichterlicher Sicht also nichts dagegen, dies künftig auch auf alle gesetzlich Versicherten auszuweiten. Die Erfassung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Krankenkassen lässt dann nichts mehr aus.

Die »Grundsätze« sind im Internet nachzulesen unter: www.gkv-spitzenverband.de

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