Vom Stadtguerillero zum Präsidenten

José »Pepe« Mujica, Kandidat der Breiten Front

  • Lesedauer: 2 Min.

Der 75-jährige José Mujica, vom Volk nur »Pepe« genannt, polarisiert. Der Blumenzüchter und Landwirt, der 14 Jahre seines Lebens im Kerker verbracht hat, die Hälfte davon in Einzelhaft, ist das Gegenteil eines Berufspolitikers. Der volksnahe und nicht selten auch schrullige Senator, der bis zum Juni 2009 die Bewegung für die Beteiligung des Volkes MPP, die Partei der ehemaligen Stadtguerilla Tupamaros, anführte, ist seit Jahren einer der beliebtesten, aber auch einer der umstrittensten Politiker des Landes. Vor allem viele Jugendliche, die mit den traditionellen Politikmustern und -formen nicht mehr viel anfangen können, haben sich durch Mujica wieder politisiert. Aber auch die »einfachen Leute« setzen auf »Pepe«, der in seinen Reden kein Blatt vor den Mund nimmt und wegen seiner hemdsärmeligen Art bei den armen Bevölkerungsschichten ebenso populär ist wie er Teile der Mittelschicht und die Oberschicht in Uruguay nicht zuletzt wegen seiner unkonventionellen Erscheinung abschreckt. Der ehemalige Landwirtschaftsminister (von 2005 bis 2008) ist nach wie vor das Phänomen der uruguayischen Politik, obwohl seine Aura als ewiger Anarchist durch seine Regierungsbeteiligung auch gelitten hat. Der pragmatische Linke bezeichnet vor allem die Benachteiligung der Menschen auf dem Land, die Bekämpfung der Armut, die Bildungspolitik und die Modernisierung des bürokratischen Staatsapparates als seine Schwerpunkte. Mujica nennt Lula da Silva und Michelle Bachelet seine politischen Vorbilder, pflegt aber auch gute Verbindungen zu Hugo Chávez und Evo Morales. Heute steht Mujica, der noch 1995, als er zum ersten Mal ins uruguayische Parlament einzog, an den Lieferanteneingang verwiesen wurde, kurz davor, Präsident der 3,4 Millionen Uruguayer zu werden. »El Pepe«, ein Politiker zum Anfassen, kann Fehler eingestehen und gilt als definitiv korruptionsresistent. Nicht nur das unterscheidet ihn von seinem Gegenspieler, dem neoliberalen Ex-Präsidenten Luis Alberto Lacalle.

Stefan Thimmel

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