Die rote Hilfe aus Berlin

Brandenburger Genossen lassen sich aus der Hauptstadt Tipps für das Mitregieren geben

Heute wollen SPD und Linkspartei ihr Regierungsbündnis besiegeln. Die Landesvorsitzenden Matthias Platzeck und Thomas Nord sollen den Koalitionsvertrag mittags im Landtag unterschreiben. Bedingung dafür ist allerdings, dass die Parteitage am Mittwochabend grünes Licht gegeben haben. Die Entscheidungen der Delegierten fielen weit nach Redaktionsschluss. Die Zustimmung galt aber als wahrscheinlich.

In Brandenburg ist Rot-Rot etwas Neues, doch haben Sozialisten in Nachbarländern Erfahrungen damit. In Sachsen-Anhalt tolerierten sie einst eine Minderheitsregierung unter Reinhard Höppner, in Mecklenburg-Vorpommern regierten sie gemeinsam mit Harald Ringstorff. Diese beiden Bündnisse sind inzwischen beendet. Doch in Berlin läuft Rot-Rot.

Es liegt nahe, dass sich die Brandenburger von den Genossen in Berlin Tipps geben lassen – und das tun sie auch. Bei ihm sei zum Beispiel aus Brandenburg eine Anfrage zu einer Formalie auf dem Weg zur Koalition eingegangen, erzählt der Berliner Linkspartei-Sprecher Thomas Barthel. Auch in Zukunft werde man sich sicherlich austauschen.

Das bestätigt die Brandenburger Landesgeschäftsführerin Maria Strauß. Schon im Vorfeld und auch während der Koalitionsverhandlungen habe man mit den Berlinern eng zusammengearbeitet, zum Beispiel bei der Vorbereitung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors. Geholfen hat dabei Katina Schubert, Referentin von Sozialsenatorin Carola Bluhm. Als weiteres Beispiel nennt Strauß den neuen Zuschnitt der Ressorts. Es soll künftig ein Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz geben. Um genau diese Bereiche kümmert sich auch eine Berliner Senatsverwaltung. »Da gab es Rücksprachen«, berichtet Strauß. Von Vorteil bei der Abstimmung sind die persönlichen Kontakte von Landesparteichef Nord. Er stammt aus Berlin, war dort in den 90er Jahren stellvertretender PDS-Landesvorsitzender. Mit etlichen Berliner Funktionären ist er befreundet, auch mit dem aktuellen Landesvorsitzenden Klaus Lederer, der gestern zum Parteitag in Strausberg erschien.

Wenn man sich den Start von Rot-Rot in den Jahren 2001 und 2002 in Berlin und jetzt in Brandenburg anschaut, so bestehen Ähnlichkeiten. Damals wie heute gab es heftige Debatten über die Geschichte und natürlich auch Unmut wegen Wahlversprechen, die im Koalitionsvertrag nicht eingelöst werden konnten. Sorgt heute die Braunkohle für Verstimmung, so waren es seinerzeit der Großflughafen Schönefeld und die finanzielle Ausstattung der Bezirke.

Auf Unterschiede verweist Stefan Liebich. Er führte 2001 den PDS-Landesverband und auch die Verhandlungen mit der SPD. Die Präambel des Koalitionsvertrags habe die Partei fast zerrissen, erinnert sich Liebich. Im Text ging es um die Mauer, die als ein Produkt des Kalten Krieges entstand. Im Hinblick auf den Zusammenschluss von KPD und SPD im Jahr 1946 drehte sich die Auseinandersetzung um die Frage: richtiger Schritt zur Einheit der Arbeiterklasse oder Zwangsvereinigung? In der Präambel sahen nicht wenige Mitglieder von SPD und PDS einen Kotau vor der jeweils anderen Seite. Beide Parteien mussten deswegen Austritte hinnehmen.

Derartiges registriert Liebich in Brandenburg nicht. Debatten über die Vergangenheit werden seiner Einschätzung nach nun lediglich von außen herangetragen. SPD und Linkspartei müssen sich damit nicht so sehr beschäftigen und können sich auf andere Fragen konzentrieren. »Es war eine andere Zeit«, meint Liebich im Rückblick. Auch über die prinzipielle Frage, ob die Sozialisten sich in einem kapitalistischen System überhaupt an einer Regierung beteiligten sollten, werde offenbar nicht mehr gezankt. Gestritten werde nun, ob das Ausgehandelte ausreicht – »und das ist auch gut so«, denn das sei ja die eigentliche Frage.

Tipps könnte Liebich den Brandenburgern sicher geben. Er möchte sich damit jedoch zurückhalten – zumindest öffentlich. Zu deutlich stehen ihm die »guten Ratschläge« vor Augen, die er sich seinerzeit auf dem Umweg über die Medien erteilen lassen musste. »Das kam oft nicht gut an.« Besser wären da diskrete Hinweise. Erfreulich findet Liebich, wie die Brandenburger gute Ideen aus Berlin wie den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor aufgreifen. »Unsere Fehler müssen sie aber nicht noch einmal machen.«

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