Bundeswehr ruft Achtklässler zu den Waffen

Schleswig-Holstein: Friedensbewegung und Lehrergewerkschaft kritisieren Werbemaßnahmen der Truppe bei Minderjährigen

  • Dieter Hanisch, Eutin
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundeswehr versucht, schon Kinder für den Dienst an der Waffe zu begeistern. Ein Ausflug einer achten Klasse in die Rettberg-Kaserne in Schleswig-Holstein hat nun eine aufgeregte Debatte ausgelöst.

Auf einer Diskussionsveranstaltung des Friedenskreises Eutin mit rund 110 Besuchern schlugen die Wogen hoch. Ein Truppenbesuch einer achten Klasse der Grund- und Hauptschule Süsel (Kreis Ostholstein) beim Aufklärungsbataillon 6 in der Eutiner Rettberg-Kaserne hatte zuvor für Wirbel gesorgt und war nun Grundlage des öffentlichen Austausches mit Vertretern der Bundeswehr und der Schule auf dem Podium.

Den 13- bis 15-Jährigen wurde unter anderem auch das Training am Schießsimulator gezeigt. Dabei hatte der die Aufsicht führende Offizier mit flapsigen Bemerkungen die Apparatur mit einem Playstation-Spiel verglichen. Zumindest bei den meisten Jungen der Klasse hatte die Präsentation offenbar Eindruck hinterlassen. Gegenüber einer Journalistin der örtlichen Zeitung fiel der Satz »Das schockt richtig!«

Pastor Lutz Tamchina vom Friedenskreis meinte, dass die Jugendlichen nur durch faszinierende Technik geblendet, die wahren Hintergründe seitens der Bundeswehr aber ausgeblendet würden. Monika Obieray, grüne Kommunalpolitikerin, war erschrocken über das Alter der Schüler und empfand diese als nicht reif genug für solch eine Vorführung. Dem widersprach der Süseler Schulleiter, Matthias Isecke-Vogelsang, indem er ausführte, dass schließlich die Themen 1. und 2. Weltkrieg auch einer Hauptschulabschlussklasse zugemutet werden und auf kommunaler Ebene schon mit 16 gewählt werden dürfe.

Schulvertreter und Bundeswehr schoben vielmehr der Lokalpresse den Schwarzen Peter zu, die reißerisch berichtet und Dinge nicht in einen richtigen Zusammenhang gestellt hätte. Mathias Willerscheidt, einer von bundesweit 94 hauptamtlichen Jugendoffizieren, hob dagegen die objektive Aufklärung seines Arbeitgebers (Dienstherren) hervor, bei dem sehr wohl auch über das kontroverse Thema Auslandseinsätze gesprochen werde. Er bot dem Schulrat gleich die Kontaktaufnahme bezüglich Schulungen von Lehrkräften an.

Als eine Besucherin ihr Befremden darüber ausdrückte, dass auch schon mal Panzer und anderes Bundeswehrgerät auf einem Schulhof einer Grund- und Hauptschule aufgebaut wurden, wiesen die Bundeswehrvertreter jegliche Verantwortung von sich, die schließlich bei Schule und Erziehungsberechtigten liegen würde. Zum Teil lautstark und emotional gestritten wurde von Friedensbewegten und Bundeswehrangehörigen bzw. ehemaligen Soldaten über die Rolle des bundesdeutschen Militärs in Gesellschaft und Öffentlichkeit und über deren Werbung und Zurschaustellung vor jungen Menschen.

Just diese hat in jüngster Zeit laut Paul Schäfer, Verteidigungsexperte der LINKEN, zugenommen. Schulen würden mit Hochglanzbroschüren eingedeckt, die dann durchaus auch Eingang in den Schulunterricht finden würden, heißt es vom Abgeordneten der Linkspartei. Als seine Partei im Bundestag diese Sonderstellung der Bundeswehr an Schulen kippen wollte und zumindest den gleichberechtigten Zugang etwa von Friedensgruppen einforderte, stand die Fraktion allein da.

Für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende Marianne Demmer, dass Panzer und Kriegsgerät generell auf Schulhöfen nichts zu suchen haben. Wenn uniformierte Wehrberater zur Berufsberatung in die Schule kommen, reicht es ihrer Ansicht nach nicht, über die Möglichkeit des Zivildienstes nur en passant zu informieren.

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