nd-aktuell.de / 17.11.2009 / Politik / Seite 13

Abendgebet per Mausklick

Erzbistum Freiburg lädt in virtuelle Kirche ein

Jan Thomas Otte, epd
Seit einem Jahr gibt es die virtuelle St.-Georgs-Kirche. Die Betreiber bieten Seelsorge, Bibelarbeiten und Gebetsgemeinschaften an.

Freiburg. Nicht zum Gottesdienst am Morgen, sondern zur Komplet um 22 Uhr, dem kirchlichen Abendgebet, treffen sie sich am Sonntag – und zwar im Internet. Kirchenglocken läuten keine, auch die Orgel spielt hier nicht. Aber es gibt eine Kirche mit Bänken und Altar. Ein Dutzend Menschen sprechen miteinander über Kopfhörer und Mikrofon. Manche hören nur zu, tippen auf der Computertastatur ihre Gebetsanliegen, bekreuzigen sich am Schreibtisch zu Hause. Seit etwa einem Jahr lädt das katholische Erzbistum Freiburg in der Internet-Welt von »Second Life« in die virtuelle St.-Georgs-Kirche ein. Die Betreiber der Online-Kirche bieten Seelsorge, Bibelarbeiten und Gebetsgemeinschaften an.

Die Kirche St. Georg gibt es wirklich – auf der Insel Reichenau im Bodensee. Und dort haben sich die Internetchristen in diesem Herbst getroffen, zum ersten Mal im realen Leben und nicht virtuell. Angereist sind Menschen zwischen 30 und 50 Jahren. »Wir sind eine echte Kerngemeinde, eine Community«, sagt Norbert Kebekus.

Zusammen mit sechs Ehrenamtlichen betreut er das Internetprojekt seit dem Start Anfang November 2008. Zwischen acht und 14 Nutzer loggen sich in den Abendstunden ein und besuchen St. Georg. Als Avatare, selbst gestaltete menschliche Computerfiguren, bewegen sie sich durch die virtuelle dreidimensionale Welt des »Second Life« (zweites Leben), die seit 2003 verfügbar ist.

»Viele kommen aus der Region. Aber auch die Schweiz und Nordfriesland sind mit dabei«, sagt Kebekus. Auch habe es schon manche US-Amerikaner in die Online-Kirche verschlagen, die einfach mal neugierig gewesen seien. Behinderte, die es körperlich nicht in die nächste Kirche schaffen, kämen ebenfalls gerne.

Sakralbauten gibt es viele im Netz, so ist etwa die evangelische Berliner Marienkirche im »Second Life« nachgebaut. Im August 2008 war dort zwei Wochen lang ein Vikar als Avatar online. »Für eine längerfristige Arbeit fehlten uns einfach Geld und die nötigen Mitarbeiter«, sagt Ralf Peter Reimann, damals Internet-Beauftragter für die Evangelische Kirche in Deutschland. Eine Kirche in virtuellen Welten hält er aber für sinnvoll und zeitgemäß: »Wir haben so Menschen erreicht, die sonst nicht den Weg zum Pfarrer in ihrer Offline-Welt gefunden hätten.« Ein regelmäßiges Angebot wie das der virtuellen St.-Georgs-Kirche aber gab es noch nie im deutschsprachigen Raum.