Eine neue Schweinerei hat nicht stattgefunden

Mittwochs tagt das Kabinett. Gestern im brandenburgischen Meseberg – einem Ort voller Gefahren und Fallen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die schwarz-gelbe Regierung hat bei ihrer Klausur auf Schloss Meseberg Leitlinien für das erste Jahr der Gemeinsamkeit festgelegt. Union und FDP wollen bei Steuern und Haushalt rasch Nägel mit Köpfen machen, vorbereitet wird ein Energie-Konzept mit der Kraft des Atoms und auch die Gesundheitsreform soll angegangen werden. Für den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan soll eine neue Strategie kommen – so Obama will.

Alles ist gut gegangen. Für Schwarz-Gelb – im rot-roten Brandenburg. Der Schweinestall der benachbarten Agrargenossenschaft hat nicht – wie im Sommer noch befürchtet – seinen speziellen Duft verbreitet. Vom nahen Fallschirmspringerflugplatz sind keine Eindringlinge aufgestiegen, die den vier Meter hohen, mit Videokameras bespickten Schlosszaun des Messerschmitt-Anwesens von oben her überwinden wollten. Eintracht habe es geben. Zumindest ist nicht bekannt, dass ein Kabinettsmitglied Widerspruch erhoben hat gegen die Verlängerung von Bundeswehrmissionen im Ausland.

Beschlossen wurde gestern, dass man weiter mit maximal 4500 deutschen Soldatinnen und Soldaten unter ISAF-Kommando in Afghanistan präsent sein will. Da hatten Insider Schlimmeres erwartet. Doch so lange der US-Präsident sich noch nicht erklärt hat, wie er die – für den Westen – verfahrene Lage am Hindukusch in den Griff bekommen will, so lange hält die Bundesregierung erst einmal still. Vermutlich, um irgendwann eine Verstärkung der Polizeiausbildung anzubieten. Doch die ist ja nicht zustimmungspflichtig im Bundestag.

Festzuhalten ist: »Die Bundesregierung strebt die Schaffung selbsttragender Sicherheit und Stabilität in Afghanistan im Sinne des Konzepts der vernetzten Sicherheit durch die Verknüpfung militärischer Mittel und ziviler Instrumente an.« Wer jetzt »Wie bitte?« fragt, der merke sich nur, alles kann, nichts muss! Und der Stillstand bleibt vermutlich bis zur geplanten Afghanistan-Konferenz im Frühjahr. Doch die wird ein harter Brocken, denn die deutsche Regierung misst ihr – laut internem Papier – Begriffe wie »Rechtstaatlichkeit« und »Menschenrechte« als Verhandlungsgegenstand zu.

Abstriche macht die Bundesregierung in Sachen AWACS über Afghanistan. Da die Radarflugzeuge seit dem Sommer, als das Parlament bis zu 300 zusätzliche Soldaten am Hindukusch genehmigte, nicht fliegen, weil die Operation mangels Überflugrechten völlig verpfuscht begonnen wurde, zieht man sie zurück. Ohne das Vorhaben aufzugeben. »Die Verhandlungen werden mit Priorität und unter Einsatz des NATO-Generalsekretärs fortgeführt. Sollten im Laufe des Jahres 2010 die noch fehlenden Voraussetzungen für den Einsatz ... geschaffen werden, wird die Bundesregierung dem Bundestag ein entsprechendes Mandat zur Billigung vorlegen.« An der US-Operation »Enduring Freedom« beteiligt sich Deutschland wie bislang – mit weniger Bewaffneten. 700 Soldatinnen und Soldaten sind genug für die Terroristenjagd, die doch mangels Erfolg keine ist.

Weiter in Übung bleiben deutsche UNIFIL-Marineeinheiten vor Libanon, denn: »Das Risiko eines erneuten bewaffneten Konflikts mit Israel besteht allerdings fort...« Die Formulierung in dem von Außenminister Westerwelle und Verteidigungsminister zu Guttenberg unterzeichneten Papier ist arg missverständlich. Schließlich ist nicht Deutschland im Konflikt mit Israel.

Zudem ist das Land offenbar ohne UNIFIL in der Lage, den Waffen-Nachschub für die Hisbollah zu unterbinden – wie die jüngste Kaperung des deutschen Frachters »Francop« zeigt. Und weil das so ist, soll demnächst die Obergrenze der eingesetzten Bundeswehrangehörigen von 1200 auf 800 abgesenkt werden.

Während Kanzlerin Merkel die Klausur als »sehr intensiv und dicht« lobt, bemerkte ihr Vize Westerwelle vor allem, dass das Treffen »sehr harmonisch« war.

Das sieht die in Berlin gebliebene Opposition natürlich ganz anders. Linksfraktionschef Gregor Gysi sprach vor allem wegen der Steuerunklarheiten von einem »erfolglosen Krisengipfel«. Dem SPD-Vorturner und Ex-Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier fiel nur ein: »Außer Spesen offenbar nichts gewesen.«

Doch so einfach will es die Regierung ihren Gegnern nicht machen. Sie sucht nach einem »breiten gesellschaftlichen Konsens bei der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise« und lädt für den 2. Dezember zum Gipfeltreffen mit den Gewerkschaften, den Verbänden der Wirtschaft und Banken ein. Ziel sei es, einen Konsens aller gesellschaftlichen Kräfte für mehr Beschäftigung und zur Verhinderung einer »Kreditklemme« zu erzielen.

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