Licht über Häusern

Preisgekrönt: Konrad Knebels Architekturbilder in Berlin

  • Peter H. Feist
  • Lesedauer: 4 Min.
»Niemandsland I«, 1991,Tempera/Öl auf Leinwand, Privatbesitz
»Niemandsland I«, 1991,Tempera/Öl auf Leinwand, Privatbesitz

Seit dreizehn Jahren vergibt das Land Berlin jährlich den nach der dadaistischen Malerin Hannah Höch benannten Preis an einen älteren bildenden Künstler oder eine Künstlerin, deren Werk und Leben eng mit Berlin verbunden ist. Diesmal wählten die Preisrichter Konrad Knebel aus, der auf eine ganz stille Weise seit über fünfzig Jahren zu einer festen Größe in den oberen Rängen der Berliner Künstler wurde. Wie so viele bedeutsame Berliner ist er ein Zugezogener, geboren 1932 in Leipzig, seit dem Bombenkrieg im Erzgebirge aufgewachsen. Seit 1951 studierte und arbeitet er in Berlin, unterrichtete eine Zeit lang an der Kunsthochschule Weißensee oder betreute einen Malzirkel. 1980 bekam er einen Nationalpreis, 1990 den Kollwitzpreis der Kunstakademie, 1989-90 beriet er am Runden Tisch im Bauministerium mit.

Anlässlich der jetzigen Ehrung zeigt das Stadtmuseum im Ephraim-Palais aus eigenem Bestand und Privatbesitz dreißig seiner Stadtansichten, die seinen auf einzigartige Weise überzeugenden persönlichen Beitrag zur Gegenwartskunst ausmachen. Thematisch-motivische Konzentration ist sehr riskant, sie kann aber höchste Qualität gewährleisten. Knebel bewies, dass er auch porträtieren kann, und er fiel zuerst durch Bilder auf, in denen in Stadt-, Dorf- und Industrielandschaften auch kleine Figuren von Gehenden auftauchten, besonders »Weg zur Arbeit«, das im Jahr nach dem Studium schlagartig sein Ansehen als Künstler begründete, eine Tradition von Otto Nagel her aufzunehmen schien. Knebel ließ aber die Menschen bald aus seinen Bildern weg, weil er empfand, dass schon allein das, was menschliche Arbeit in den natürlichen Umraum hineingebracht hat, unglaublich viel über Leben und wechselvolle Geschichte mitzuteilen vermag. Auf Reisen durch die DDR und bald auch durch andere Länder, bis Burma, sammelte Knebel unterschiedliche Ansichten von Gebäuden, Straßen, Schienen, Stromleitungen usw. ein, die er vor Ort nur zeichnerisch notierte und erst im Atelier, lange bedenkend und komponierend, zu meist kleinen Gemälden formte. Am häufigsten beschäftigte seine nächste Um- und Lebenswelt in den Ostberliner Altbauvierteln seinen Malerblick und sein Nachdenken. Exotisches fand keinen Eingang in seine Bildwelt.

Wie die meisten Künstler redet Knebel nur ungern über seine Bilder und Absichten, erwähnt allenfalls, dass ihn das von Ort zu Ort verschiedene Licht, die unterschiedlichen atmosphärischen Stimmungen besonders anziehen. Die in der Regel dunstig verhangenen, manchmal auch nächtlichen Himmel wurden zu entscheidenden Elementen seiner Städtebilder. Nur ganz selten fallen Sonnenstrahlen und Schlagschatten ein, um zur linearen Konstruktion des Bildbaus beizutragen.

Die Ausstellung enthält Beispiele für die überaus sorgfältigen Zeichnungen, in denen Knebel die vielen Details einer Häuserflucht oder einer Fassade aufnimmt, immer schon mit seiner Formvorstellung von der perspektivischen Erschließung eines tiefen Raums und der rhythmisch strengen Gliederung der Bildfläche im Kopf, die dann den Charakter seiner Gemälde ausmachen wird.

Im 20. Jahrhundert sind Maler sehr berühmt geworden, weil sie durch geometrische Konstruktion oder allein durch nuancierte Farbflächen suggestive ästhetische Wirkungen erzielten. Genau dies gelingt auch Knebel, aber bei ihm ist es bereichert um die Gedanken und Empfindungen, die durch gegenständliche Abbildungen von gebauter Umwelt als den Zeugnissen menschlichen Daseins ausgelöst werden. Knebel lässt Architektur Geschichte erzählen und verwandelt sie gleichzeitig in Stillleben oder abstrakte Muster aus Schichten verschiedener, gedämpfter Öl- und Temperafarben, meist in einem für ihn charakteristischen sanften Grau oder etwas Ziegelrot.

Ist er Chronist des Verfalls und Abrisses? Trauert er der Stadt von vorgestern nach? Er ist eher sachlich als pathetisch, kein Romantiker und kein Ankläger. Zweifellos litt er unter der Zerschneidung Berlins durch die Mauer, die schon in einem Bild auftauchte, das damals nicht öffentlich gezeigt werden konnte. Er weiß nach 1990 selbstverständlich, was es bedeutet, wenn Fabriken ausgeräumt und Wohnhäuser leergezogen sind. Er sieht offenbar – in bester Tradition – eine der Aufgaben eines Malers darin, mit der Kraft subjektiv gestalteter Bilder für die Erinnerung aufzubewahren, was als Lebensraum, auch als sein eigener Lebensraum, gerade zu verschwinden beginnt. Dazu hebt er das oft genug kuriose Gefüge aus kantigen Häusern mit hässlichen Baulücken und schrundigen Brandmauern durch das milde Licht, das er darüberströmen lässt, in eine beglückende, also ermutigende Schönheit.

Konrad Knebel: Die Sprache der Steine. Berlin, Stiftung Stadtmuseum, Ephraim-Palais, Poststr. 16, bis 7. 2. 2010, Di, Do-So 10-18, Mi 12-20 Uhr.

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