Aus der Binnenperspektive

Das erste Arabische Filmfestival mit dem Schwerpunkt Palästinensischer Film

  • Angelika Nguyen
  • Lesedauer: 3 Min.
Dreharbeiten zur Doku »These Girls«
Dreharbeiten zur Doku »These Girls«

Die arabische Region ist für den Westen mit Mythen und Stereotypen beladen und oft nur von außen beschrieben worden. Seit dem 11. September 2001 kam das Terroristen-Image hinzu. Höchste Zeit also, dass mehr Bilder in die westliche Welt gelangen, die aus der inneren Perspektive arabischer Länder selbst aufgenommen werden – jenseits von Nachrichten und TV-Berichten.

Die Filme des 1. Arabischen Festivals in Berlin stammen aus Ägypten, Libanon, Marokko, Irak, Kuwait, Syrien, Tunesien, Jordanien, Algerien. Selbst sehr junge Filmländer wie Saudi-Arabien und Jemen sind vertreten. Die Auslegung des Koran »Du sollst dir kein Bild machen« wurde in diesen beiden Ländern lange so strikt angewendet, dass Filmemachen verboten war.

Desto befreiender wirkt der erste jemenitische Spielfilm »Ein neuer Tag in Alt-Sana’a« von 2006, ein Publikumsliebling des Festivals, der vieles miteinander verbindet: Mythen aus 1001 Nacht, verschleierte Frauen, den Humor von Volkskomödien, die Spannung mit dem westlichen Blick, vertreten durch die Figur des britischen Fotografen, das Spiel zwischen den Geschlechtern und große tragische Liebe.

Der libanesische Eröffnungsfilm »Jeder Tag ist ein Feiertag« hingegen wird mit einer so besonderen visuellen Sprache erzählt, dass manche Zuschauer verwirrt waren und sich im anschließenden Gespräch nach Handlungslogik und Idee erkundigten. Drei Frauen gehen in der Wüste auf der Fahrt zu ihren gefangenen Männern verloren und beginnen eine surreale Reise nach innen. In aufregenden, dynamischen Bildern bewegen sich die Protagonistinnen, die von Hiam Abbas, Manal Khader und Raia Haidar intensiv gespielt werden.

Über zwei Stunden lang erzählt der algerisch-französische Film »Délice Paloma« humorvoll und tragisch die Geschichte der Mafiakönigin Aldjeriya, die, aus dem Gefängnis entlassen, ihr Leben reflektiert. Algerische Befindlichkeit, bedingt durch das nationale Trauma der französischen Unterdrückung, wird spürbar. »Kennst du jemanden auf der Welt, der Algerier mag?« fragt Aldjeriya. Auffallend ist, dass die Spielfilme sich Zeit nehmen für ihre Geschichten. In großen Bögen werden die Konflikte entwickelt, die Figuren haben öfter Momente mit sich allein. Die schnelle Montage vieler westlicher Filme ist hier fremd.

Erschütternd authentisch ist der ägyptische Dokumentarfilm »Diese Mädchen« (»These Girls«) über Mädchen und Frauen, die in Kairo auf der Straße zwischen Gewalt und Solidarität leben.

Kämpferisch begann am Samstag der thematische Schwerpunkt des Festivals »Fokus 09 – Palästinensisches Kino« mit dem Film »Das Salz des Meeres«. Er erzählt die schmerzliche Auswirkung, die die Vertreibung von Sorayas Großeltern aus Jaffa 1948 durch die israelische Armee auf das Leben der Enkelin hat, die in den USA aufgewachsen ist. Eindrucksvoll führt der Film palästinensische Gefühle unter israelischer Besatzung vor. Das beginnt mit Demütigungen bei der Einreise am Flughafen, geht weiter an den Checkpoints bis zur letzten Szene des Films, wo Sorayas Flucht vor der israelischen Polizei jäh endet. Der Film, auch wenn die Hauptfigur manchmal eher Larmoyanz als Schmerz zeigt, nimmt sich das heraus, was der palästinensische Literaturprofessor Edward Said »Permission to narrate« (»Erlaubnis zum Erzählen«) nannte und das Recht der Palästinenser auf ihre eigene Erzählperspektive meinte.

Begleitet wird »Fokus 09 – Palästinensisches Kino« in den nächsten Tagen von der Thematisierung der Identität palästinensischer und arabischer Filmkunst. Die Podiumsdiskussionen spielen auch auf die häufigen Koproduktionen mit westlichen Ländern an. Ohne Frage ist indessen, dass die palästinensischen Filme palästinensische Geschichten erzählen – von der schwierigen und gefährlichen Existenz in Gebieten, die zwar autonom genannt werden, aber den Interessen und der Willkür der israelischen Staatsmacht ausgeliefert sind.

Zum Abschluss am Mittwoch um 19.30 Uhr gibt das palästinensische Trio Joubran ein Konzert im Hebbel am Ufer.

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