Claudia Pechstein bleibt gesperrt

Der Sportgerichtshof CAS bestätigt die Zweijahressperre für die Eisschnellläuferin

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Der Internationale Sportgerichtshof CAS bestätigte gestern in seinem 66-seitigen Urteil die zweijährige Sperre der fünfmaligen Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein aus Berlin (Foto: dpa). »Das CAS-Gremium stellte fest, dass der Anteil der Retikulozyten bei der Athletin am 6. und 7. Februar 2009 in Hamar einen Wert aufwies, der im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung in Europa, zu anderen Elite-Eisschnellläufern und auch im Vergleich zu ihren eigenen üblichen Werten abnormal war. Das Gremium stellte außerdem fest, dass der Unterschied der Werte vom 8. Januar mit 1,74, vom 6. Februar mit 3,49 und vom 18. Februar mit 1,37 nicht normal war.« Dieser Verlauf sei durch die medizinischen Begründungen, die Pechstein angebracht habe, »nicht zu erklären«.

Der CAS fasste zusammen, dass der Eislauf-Weltverband ISU die Beweislast »zur Zufriedenheit des Gremiums« getragen habe. Pechstein habe die Werte »nicht in vertretbarer Weise« mit einer angeborenen Krankheit oder Blutanomalie erklären können. Der CAS stelle fest, dass eine »Manipulation des Blutes die einzige vernünftige Alternative für die Ursache ihrer abnormalen Werte« darstelle.

»Das zu akzeptieren, ist für mich unglaublich hart. Nach dem wochenlangen, unwürdigen Hin und Her war das Urteil aber abzusehen«, erklärte Pechstein in einer ersten Reaktion. »Ich bin nicht mehr über das Ergebnis geschockt, sehr wohl aber darüber, wie es zustande gekommen ist. Erst die ISU, jetzt der CAS. Ich habe lernen müssen, dass es ausgerechnet vor Sportgerichten offenbar keinen Platz für das im Sport so oft beschworene Fairplay gibt.« Der 37-Jährigen droht die Kündigung bei der Bundespolizei. Die DESG kündigte an, eine Förderung der Sportlerin sei nicht mehr möglich. Auch eine Qualifikation für Olympia in Vancouver 2010 sei nun nicht mehr zu schaffen.

Die ISU hatte die Berlinerin am 3. Juli wegen auffälliger Blutwerte für zwei Jahre gesperrt, dagegen war sie vor dem CAS in Berufung gegangen. Pechstein, die Doping bestreitet, hatte bereits zuvor angekündigt, nun vor das Schweizer Bundesgericht ziehen zu wollen.

»Wir akzeptieren das CAS-Urteil«, sagte DOSB-Präsident Thomas Bach. »Die Enttäuschung ist insbesondere bei einer so erfolgreichen Athletin wie Claudia Pechstein groß. Doping mit dieser wissenschaftlichen Expertise kann von einer Sportlerin nicht ohne Hilfe von Fachleuten bewerkstelligt worden sein. Deshalb fordern wir Claudia Pechstein in ihrem wohlverstandenen Interesse zur umfassenden Aufklärung auf.«

Die Entscheidung könnte die Tür für weitere Sperren mit indirektem Beweis öffnen. Zahlreiche Sportverbände haben Listen von Athleten, deren Blutbilder Abnormalitäten aufweisen. Pechstein sieht sich als Opfer dieser Strategie der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, die am 1. Januar 2009 mit ihrem neuen Code den indirekten Beweis ohne positiven Befund möglich gemacht hatte.

Für den Nürnberger Pharmakologen Fritz Sörgel war der Fall klar: »Ich hatte nicht an die Blutkrankheit geglaubt. Für alle, die an indirekten Beweisen forschen, ist das Urteil ermutigend. Es ist immer eine gewisse Unsicherheit mit drin, aber diese ist im Fall Pechstein sehr klein.« Zwiespältig reagierte der Kölner Doping-Analytiker Wilhelm Schänzer. »Ich bin sicher, dass der indirekte Nachweis von Doping aufgewertet wird und die Entscheidung eine positive Stimmung bei den Verbänden erzeugt. Nicht wohl ist mir aber, dass das Urteil nur auf einen Parameter, die erhöhte Anzahl von Retikulozyten, beruht.« dpa/sid/ND


Was ist der CAS?

Der Court of Arbitration for Sports (CAS) ist als Schiedsgerichtshof oberste Instanz des internationalen Sports. Bei der 86. Session des IOC im März 1983 in Neu Delhi wurden seine Statuten durchs IOC ratifiziert.

Sein Urteil tritt sofort in Kraft und kann nur noch vor dem Obersten Schweizer Bundesgericht angefochten werden. Seit 1993 ist er nach einem Spruch des Schweizer Bundesgerichts eine unabhängige Instanz. Seine Mitglieder werden durch ein eigenständiges internationales Juristen-Gremium berufen.

Seit 2003 ist der CAS in allen Dopingfällen, die auf der Grundlage des WADA-Codes verhandelt werden, die letzte Instanz. Als CAS-Schiedsrichter sind derzeit rund 300 Rechtsgelehrte, Anwälte oder Richter aus 87 Ländern tätig. In der Regel befassen sich drei Schiedsrichter mit einem Fall. Beide Parteien dürfen je einen Schiedsrichter vorschlagen. Der dritte wird in Berufungsverhandlungen durch die Berufungskammer gestellt, deren Vorsitzender DOSB-Präsident Thomas Bach ist. CAS-Urteile haben zivil- und strafrechtlich keine Wirkung. Mehrfach klagten Doping-überführte Sportler wie der Cottbuser Radprofi Danilo Hondo vor ordentlichen Gerichten weiter. Hondo erwirkte 2006 beim Schweizer Kantonsgericht die Aufhebung der vom CAS verhängten Dopingsperre bis zum endgültigen Entscheid. 2007 kippte das Schweizer Bundesgericht im Fall des argentinischen Tennisprofis Guillermo Canas erstmals ein CAS-Urteil. Die 15-monatige Dopingsperre musste neu verhandelt werden. SID

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