Kein Schwarzbuch Teil zwei?

Brandenburger Umweltaktivist sieht neue Chancen mit Rot-Rot / Der 1976 geborene Tom Kirschey ist seit 2002 NABU-Landeschef in Brandenburg

  • Lesedauer: 3 Min.

ND: Herr Kirschey, Sie gehörten zu den Machern des »Schwarzbuches Umweltpolitik in Brandenburg«, das wenige Wochen vor der Landtagswahl erschienen ist. Sie steuerten »Die Deichgraflegende« bei, in der Sie den SPD-Ministerpräsidenten Matthias Platzeck scharf kritisierten. Verübelt er das noch?
Kirschey: Ich habe ihm am Tag seiner neuerlichen Wahl zum Regierungschef gratuliert und gesagt, es wäre nun ein guter Zeitpunkt, nach vorn zu blicken. Ich habe seine Reserviertheit gespürt, hoffe aber sehr, dass er auf das Angebot eingehen wird. Mag sein, dass das Schwarzbuch den LINKEN und den Grünen im Wahlkampf geholfen hat. Darum ging es uns aber nicht. Wir wollten auf massive Fehlentwicklungen aufmerksam machen. Die neue Regierung hat aus meiner Sicht viele Chancen. Damit ist es gut. Wir basteln jetzt nicht an einem zweiten Teil des Schwarzbuchs.

Sondern?
Inhaltlich ist die Kritik ja angenommen worden, sonst hätten sich nicht unsere im Schwarzbuch formulierten Forderungen zu einem Teil im Koalitionsvertrag niedergeschlagen. Bei einem neuen Umgang mit der Ressource Wasser, bei der Suche nach neuen Retentionsräumen für unsere Flüsse und vielen weiteren Themen braucht die Regierung Unterstützung der Umweltverbände. Wir wollen, dass diese Koalition umweltpolitisch erfolgreich ist. Was wir als unabhängige Verbände dazu beitragen können, werden wir tun.

Sie sind gerade im Amt des NABU-Landesvorsitzenden bestätigt worden. Konfrontiert mit der Kampfkandidatur des einstigen SPD-Umweltministers Eberhard Henne behielten sie die Nase vorn. Wollte die SPD einen ihr unbequemen NABU-Chef Kirschey aus dem Weg räumen?
Ich schätze Eberhard Henne sehr und habe auch Gerüchte über politische Motive und versuchte Einflussnahmen gehört. Aber Eberhard Henne hat versichert, dass er keinen »Parteiauftrag« gehabt habe, und ich glaube ihm das.

Wie gefällt Ihnen, was im Koalitionsvertrag von SPD und Linkspartei zur Umweltpolitik steht?
Es ist natürlich ein Kompromiss, aber dass Brandenburg wieder richtige Naturschutzgebiete ausweisen will, dass den Flüssen mehr Raum gegeben werden soll, dass der Plan von Ex-Verkehrsminister Reinhold Dellmann, den Alleenbestand zu halbieren, keine Fortsetzung findet und dass das Land ein Moorschutzprogramm durchführen wird, sind gute Voraussetzungen für eine engagierte Umweltpolitik.

Was erwarten Sie von der neuen Umweltministerin Anita Tack (LINKE)?
Viel. Schon als Verkehrspolitikerin habe ich sie geschätzt, weil sie sehr geradlinig sinnvolle von sinnlosen Infrastrukturvorhaben unterschied und sich massiv für den Öffentlichen Personennahverkehr engagierte. Sie ist kommunikativ und durchsetzungsfähig. Jetzt kommt es darauf an, welche Handlungsspielräume sie sich im eigenen Haus schafft und welche Akzente sie bei der Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft setzt.

Spaltet der Umgang der neuen Regierung mit der klimaschädlichen Braunkohleverstromung den Naturschutzbund?
Nein. Wir waren uns während des Volksbegehrens mit unseren Mitinitiatoren einig, dass der mittelfristige Ausstieg aus dieser Sauriertechnologie gelingen muss und sind das bis heute. Die LINKE musste Kompromisse machen, sonst hätte die SPD sie nicht mitregieren lassen.

Fragen: Andreas Fritsche

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