Hamburger Streicharie

Schwarz-grüner Senat muss sparen

  • Volker Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Hamburg geht es in den Zeiten der Krise finanziell nicht besser als anderen Bundesländern. Folge: Schwarz-Grün muss sparen – Hauptleidtragende sind einmal mehr die wenig Begüterten.

Die Lage ist »unglaublich dramatisch«, sagt der sonst nicht zu Übertreibungen neigende Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Das Haushaltsvolumen der Hansestadt 2010 beträgt 10,965 Milliarden Euro. Weil auf der einen Seite die Einnahmen wegbrechen (Gewinnrückgänge bei staatlichen Unternehmen wie Flughafen und HSH Nordbank) und auf der anderen Kosten (Personal) steigen, muss die Stadt bis 2013 insgesamt 1,15 Milliarden Euro sparen. Dabei werde es keine Rücksicht auf »Partikularinteressen« geben, so von Beust.

Doch wer dessen Aussage so deutet, dass allen Behörden dieselbe Sparlast auferlegt wird, irrt. Während die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Wirtschaft relativ glimpflich davonkommen, stehen der Behörde für Soziales, Familie und Gesundheit bittere Zeiten ins Haus: Zwar beträgt die angedachte Sparsumme bei einem Gesamtetat von 2,422 Milliarden Euro im kommenden Jahr nur 2,6 Millionen Euro – doch bei genauerem Hinsehen ist das eine Mogelpackung. Ziel ist es vor allem, Kosten bei geplanten Projekten wie dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zu sparen. Der soll statt im kommenden Jahr erst 2013 Realität werden. Ersparnis: 30 Millionen Euro. Auch Essensgeld und Elternbeiträge für die Kita werden teurer, die Hortbetreuung endet bereits nach zwölf (bisher: 14) Jahren und die »teure sozialpädagogische Familienhilfe« wird eingedampft.

Dazu kommen knapp zehn Millionen im Personalbereich durch den Verzicht auf Neubesetzung von Stellen. Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) rechnet mit 690 Millionen Euro Kostensteigerungen in seinem Ressort, die aufgefangen werden müssen. Während die Handelskammer die Sparbeschlüsse »ausdrücklich« begrüßte, bezeichnete ver.di-Chef Wolfgang Rose »das Brutalsparen des Senats« als die falsche Antwort in der Krise.

Die Liste der sozialen Grausamkeiten ist lang. Während die Beamten in der Elbmetropole von der befürchteten Nullrunde – sie erhalten 1,2 Prozent mehr – verschont bleiben, werden die Benutzer des öffentlichen Nahverkehrs und Autofahrer durch Erhöhungen der Parkgebühr stärker zur Kasse gebeten. Im Schulbereich streicht die Stadt 259 Lehrerstellen, bei der Justiz wird die Zahl der Referendare um 100 auf 600 gesenkt.

»Es ist ein Bündel an Maßnahmen, mit denen wir Hamburg durch die größte Krise der Nachkriegszeit bringen«, begründete von Beust die Streicharie, die vor allem Steuermindereinnahmen von sechs Milliarden Euro bis 2013 geschuldet seien. Damit das Loch in der Kasse nicht noch größer wird, plant Hamburg verstärkt den Verkauf seines Tafelsilbers: Durch die Veräußerung von Bauland sollen künftig jährlich zehn Millionen Euro mehr in die Kassen gespült werden. Weil dadurch der begehrte, aber knappe Wohnraum vermehrt werde, freut sich Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk über eine »Win-win-Situation«.

»Not amused« über das Maßnahmenbündel zeigte sich die Opposition in der Bürgerschaft. »Statt in den Behörden für Haushaltsdisziplin zu sorgen, kassiert der Senat bei den Bürgern ab«, kritisierte der SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher. Linksfraktionschefin Dora Heyenn nannte die Pläne ein »konzeptloses Bündel von Einzelmaßnahmen, die man nur als Verzweiflungstaten bezeichnen kann«. Und es könnte noch schlimmer kommen. Ein Ende des Kahlschlags sei nicht abzusehen, meint der Hamburger Rechnungshofspräsident Jann Meyer-Abich: »Es stehen ja noch die Maßnahmen des Bundes aus, von denen wir nicht wissen, welche finanziellen Auswirkungen sie auf Hamburg haben.«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal