Leberwurst und Volksmusik

Staatsoperette Dresden: Gershwins Musical »Pardon My English«

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Aufführungsgeschichte dieses Gershwin-Musicals ist eine Nicht-Aufführungsgeschichte. Kurz nach der Premiere am Broadway entfielen für die leichtgewichtige, aber musikalisch treffsichere Musical-Satire die Geschäftsgrundlagen ihrer erfolgreichen Wirkung. Es endete die leidige Prohibition, die Gershwins Texter Herbert Fields und Morrie Ryskind aufs Korn genommen hatten, einen Monat nach der Premiere.

Schwerer für die kurze Broadway-Lebensdauer von »Pardon My English« dürfte aber gewogen haben, dass mit der Machtergreifung der Nazis kurz nach der Uraufführung jene Harmlosigkeit verschwunden war, mit der hier Dresden als Beispiel für ein Klischee-Deutschland auf die Bühne kam. Leberwurst und Volksmusik – das passte nicht mehr so recht auf die Musical-Bühne, wo marschierende Braunhemden fortan das Bild der Vorlage bestimmten.

»Pardon My English« wurde erst 1982 in einem Musiklager von Warner Brothers wiedergefunden, rekonstruiert und 1993 (seltsamerweise ohne den Titelsong) auf CD eingespielt. Erst 2004 kam es in einer New Yorker Ausgrabungsreihe das erste Mal wieder zu halbszenischen Bühnenehren.

Dass sich nun die Staatsoperette Dresden die europäische Erstaufführung gesichert hat, ist dem Ehrgeiz dieses eigenständigen Operettentheaters anzurechnen. Der zumindest angedeutete Dresden-Bezug im Stück lieferte eine zusätzliche Vorlage, um sich der Sache anzunehmen. Ausstatter Christoph Weyer taucht denn auch fast jedes Kostüm ins Schwarz-Gelb des Stadtwappens, verpasst der Bar 21 (deren Zahl die des Prohibitions-Paragrafen ist) eine Frauenkirchen-Nachbildung, und platziert das Dresdner Wappen schön groß jedem der etwas trotteligen Polizisten auf die Uniform.

In der Story steht alles auf dem Kopf und wird dann noch kräftig geschüttelt: Das US-amerikanische Alkoholverbot wird in ein deutsches Antialkoholverbot umgewandelt: Die Polizei ist der Limonade auf der Spur. Der Barbesitzer, der den Leuten dennoch verschafft, was sie wollen, ist einmal der ruppige Golo Schmidt (Marcus Günzel) und bei einem Schlag auf den Kopf der noble britische Agent Michael Bramleigh. Der drollige Irrenarzt (Dietrich Seydlitz), der diese Persönlichkeitsspaltung behandeln soll, hat ein halbes Dutzend Kollegen, die genauso gut Insassen seiner Anstalt sein könnten.

Polizeikommissar Brauer (Alfred Berg) hat eine Tochter (Romana Beutel), die am Ende den Golo kriegt. Oder doch den Michael? Eigentlich egal. Da Regisseur Holger Hauer das Ganze flott in Szene setzt, Ernst Theis sein Orchester Gershwins Nummern perfekt ausspielen lässt und die gut sitzende deutsche Textversion von Wolfang Adenberg keinen Reim auf Sachsen auslässt, macht das Ganze vor allem Spaß! Übrigens auch die Vorstellung, sich dieses Dresden-Musical (das gar keins ist) auf der Bühne eines neuen, für 2013 anvisierten Operettenhauses mitten in der Stadt vorzustellen!

Nächste Vorstellungen: 9., 10.12.

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