Wenn das Fundament wegrutscht

Negative Folgen der Erwärmung auf die russischen Dauerfrostböden

  • Bernhard Clasen
  • Lesedauer: 3 Min.
Als Russlands Präsident Medwedew vor wenigen Tagen Vertreter der Zivilgesellschaft empfing, überreichte Sergej Zyplenkow, der Direktor von »Greenpeace Russland«, ihm den neuesten Bericht der Umweltorganisation zu den Folgen der Klimakatastrophe für Russland und ein von der Organisation erarbeitetes Szenario zur Reduktion des CO2-Ausstoßes in Russland.

Wichtige Teile der russischen Infrastruktur, so der Greenpeace-Bericht, darunter tausende Kilometer von Öl- und Gaspipelines in Westsibirien, werden durch das zu erwartende Auftauen der Dauerfrostböden beschädigt. Diese Böden machen immerhin 60 Prozent des russischen Territoriums aus.

In den vergangenen 20 Jahren, so Greenpeace Russland, haben die Unfälle in der Infrastruktur auf dem russischen Permafrostböden zugenommen. Das Tauen der Böden beeinträchtige häufig die Tragfähigkeit von Fundamenten. Schon jetzt seien Gebäude, Brücken, Straßen, Bahngleise, Flughäfen, Stromnetze, arktische Häfen und Pipelines geschädigt. Einige kleine Inseln in der Arktik seien bereits verschwunden. Auch die Erosion der arktischen Meeresufer nimmt zu. Der tauende Untergrund könnte überdies das auf der Tschuktschenhalbinsel errichtete Atomkraftwerk Bilibino beeinträchtigen.

Allein in der Stadt Norilsk mussten bereits 40 Wohnhäuser abgerissen werden oder stünden kurz vor ihrem Abriss, da die Fundamente im tauenden Boden versinken.

Auf den Ölfeldern im Autonomen Kreis der Chanten und Mansen am Nordural gingen 1900 Unfälle im Jahr auf das Konto des unerwünschten Tauwetters. In ganz Westsibirien seien es gar 7400 derartige Unfälle pro Jahr. Bereits jetzt erfordern die durch die Klimaveränderung bedingten Instandhaltungsarbeiten an Pipelines umgerechnet über eine Milliarde Euro jährlich.

Die Situation, so Greenpeace Russland, werde sich noch weiter verschärfen. 93 Prozent der russischen Gasreserven und 75 Prozent der Ölreserven lägen unter Permafrostböden. Da Öl und Gas 70 Prozent aller russischen Exporte ausmachen, bedrohen die tauenden Permafrostböden die Grundfesten der russischen Wirtschaft.

In seinem Bericht zitiert Greenpeace den stellvertretenden Minister des Katastrophenministeriums, Ruslan Zalikow. Dieser habe im Juni 2008 davor gewarnt, dass 2030 ein Viertel aller Wohnhäuser im russischen Norden als Folge der Klimaerwärmung nicht mehr bewohnbar sei.

Russland müsse handeln, um die Klimaerwärmung zu verlangsamen, so die Umweltorganisation. Bei Neubauten müssten die durch die Klimaveränderung zu erwartenden neuen Gegebenheiten berücksichtigt, die vorhandene Infrastruktur rechtzeitig geschützt werden. Behörden und Städteplaner hätten in der Regel die durch die Klimaveränderung bedingten Gefahren für die Infrastruktur noch gar nicht begriffen, ließen bei der Planung baulicher Maßnahmen die neuen Gegebenheiten völlig unbeachtet. Der Gesundheit der Bevölkerung sei unter den neuen Bedingungen eine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Höhere Temperaturen lassen den Zuzug von neuen Insekten und Parasiten befürchten. Lecks in Atom- und Chemielagern könnten die Trinkwasserqualität beeinträchtigen.

Als russischen Beitrag zum Klimaschutz skizziert das Greenpeace-Papier, wie das Land die CO2-Emissionen um 78 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 verringern und gleichzeitig bis 2030 aus der Atomenergie aussteigen könne.

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