Schwarz-Gelb sagt Mietnomaden den Kampf an

Experten sehen Problem im »Nano-Bereich« – Mieterbund will dennoch mithelfen und fordert mehr Richter

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 2 Min.
Es kommt wieder Bewegung in die Mieterbewegung. Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag hat immerhin in Sachen Kündigungsfristen und Mietminderungen erheblichen Interpretationsspielraum gelassen, der insbesondere FDP und CSU zu gegenseitigem Wortwechsel veranlasst. Und immer wieder ist von den sogenannten Mietnomaden die Rede, denen die Koalitionäre übereinstimmend den Kampf ansagen wollen. Selbst der Mieterbund hat jetzt Mithilfe angekündigt.

»Mietnomadentum werden wir wirksam begegnen«, haben sich die schwarz-gelben Koalitionäre versprochen. Kanzlerin Angela Merkel hat dies auch kürzlich in einem Interview für die »Mieterzeitung« unter der Losung »Fehlentwicklungen müssen korrigiert werden« noch einmal bekräftigt. Beim Deutschen Mieterbund (DMB) rennt sie damit allerdings offene Türen ein. DMB-Präsident Franz-Georg Rips hatte schon unmittelbar nach der Bundestagswahl klargestellt, dass die von Vermieterverbänden seit Jahren thematisierten »Betrüger«, die einen Mietvertrag im Willen eingehen, den Vertragspartner Vermieter um die vereinbarte Miete und andere Kosten zu bringen, schon heute keinerlei Schutz durch das geltende Mietrecht genießen. Befragt nach dem Umfang solcherlei Mitprellerei verwies der Direkor des Mieterbundes, Lukas Siebenkotten gestern gegenüber ND lediglich auf Schätzungen, nach denen etwa 1000 Fälle bekannt geworden seien. Ihm persönlich sei bislang kein einziger Mietnomade untergekommen, erklärte Siebenkotten. Kunststück: Der Mieterbund habe sich stets von derlei Betrügerei distanziert – ihm gehe es vielmehr um wirksame Interessenvertretung der 30 Millionen Mieterhaushalte in Deutschland.

Anders freilich geht es der FDP. Die hat schon 2008 die damalige schwarz-rote Bundesregierung energisch aufgefordert, ein entsprechendes Gutachten über Mietnomaden in der Bundesrepublik in Auftrag zu geben und im Bundestag über den entsprechenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu berichten. Jetzt selbst Teil der Bundesregierung wollen die Freidemokraten als Vermieter-Lobbyisten Nägel mit Köpfen machen – und thematisieren immer wieder den Vermieterschutz vor den sogenannten Mietnomaden. Offenbar nicht ohne Erfolg, wie das Interview mit der Kanzlerin zeigt.

Keine Frage, dass es für Vermieter unangenehm ist, Leuten aufzusitzen, die sich um Miete, Nebenkosten und zum Teil auch Räumungskosten drücken. Der DMB-Direktor verwies dennoch auf den Vorsitzenden des Mietergerichtstages, Ulf Börstinghaus, der das sogenannte Mietnomadentum im »Nano-Bereich« ausgemacht hat. Und Siebenkotten nannte eine andere ganz wesentliche Schwachstelle, die die Durchsetzung berechtigter Vermieterinteressen behindert. »Es gibt nichts, was man am Mietrecht ändern könnte, um dem Mietnomadentum zu begegnen – fristlose Kündigungen sind auch heute schon möglich«, erklärte er. Aber danach mahlten die Mühlen oft sehr langsam. Der Gesetzgeber müsste für kürzere Verfahrensdauern, schnellere Verfahren und Vollstreckungen sorgen. »Das würde den betroffenen Vermietern wirklich helfen.« Gebraucht würden, so Siebenkotten, mehr Richter in diesem Bereich.

In diesem Sinne hat der Mieterbund der Regierung eine Zusammenarbeit zugesagt. »Wir werden mithelfen, vernünftige und praktikable Lösungen zu finden«, depeschierte Siebenkotten via Presseerklärung. Interessant wird, wie sich die FDP zu dieser Unterstützung verhalten wird. In ihren Händen liegt schließlich auch das Bundesjustizministerium.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal