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Endlich Land!

Für acht junge Frauen erfüllte sich im nicaraguanischen Dörfchen Galilao ein Traum

  • Willi Volks, Malpaisillo
  • Lesedauer: 6 Min.
Das Frauenzentrum »Xochilt Acalt« in Nicaragua, Partnerorganisation von INKOTA, hilft Frauen auf ihrem Weg aus der Armut. Ein Beispiel sind die acht jungen Frauen aus dem Landkreis Malpaisillo, die nun ein Stück Land ihr Eigen nennen.
Ana María Girón (links) und Tomasa Mayorga gehören zu jenen acht Frauen, denen sich in Galilao mit Unterstützung von »Xochilt Acalt« eine neue Perspektive geboten hat.
Ana María Girón (links) und Tomasa Mayorga gehören zu jenen acht Frauen, denen sich in Galilao mit Unterstützung von »Xochilt Acalt« eine neue Perspektive geboten hat.

Mitten in Nicaragua, im Landkreis Malpaisillo, liegt das Dorf Galilao. Obwohl – Galilao ist im eigentlichen Sinn kein Dorf. Es besteht aus wenigen vereinzelten Häusern, die in Sichtweite voneinander entfernt auf weitem flachen Land stehen. Die Grundstücke sind mit Stacheldraht abgeteilt, auf dem Wäsche in der Sonne trocknet.

Ziegen, Schafe und ein Stück Land

Zu den Bewohnern Galilaos zählen seit knapp einem Jahr – als sie ein Stück Land bekamen – acht junge Frauen. Zwei von ihnen sind Ana María Girón und Tomasa Mayorga. Sie kommen aus dem selben Heimatdorf, das etwa vier Kilometer entfernt liegt. Ihre Mütter sind im Frauenzentrum »Xochilt Acalt« (Zuckerrohrblume) organisiert, mit dessen Unterstützung sie Gemüsegärten angelegt hatten. Ziegen und Schafe hatten sie ebenfalls bekommen.

Tomasa und Ana María sind selbst schon früh zu »Xochilt Acalt« gestoßen. Als Jugendliche haben sie an den sogenannten reflexiones (Gedankenaustausch) teilgenommen, bei denen es beispielsweise um die Rollen und die Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen ging, oder an sportlichen Aktivitäten. Zu Hause halfen die Mädchen bei der Haltung der Schafe und Ziegen, später erhielten sie selbst Tiere vom Frauenzentrum.

»Die Arbeit mit Jugendlichen und ihre Einbeziehung auch in produktive Projekte, um ihnen auf dem Land eine Perspektive zu bieten, gehören zur Strategie unserer Arbeit«, erläutert Mertxe Brosa, eine der Leiterinnen von »Xochilt Acalt«. Das bedeutet auch, dass junge Frauen zum Beispiel einen Kredit erhalten können, um sich Land zu kaufen. Allein ein solcher Kredit ist außergewöhnlich. Keine Bank würde den mittellosen Frauen auch nur einen Cent geben. Außerdem müssen die Frauen in diesem Fall nur 50 Prozent der Kreditsumme zurückzahlen, die anderen 50 Prozent werden ihnen erlassen. Da die Kredite überdies eine sehr lange Laufzeit haben und das Zentrum die Frauen auch bei Projekten der Tierhaltung und des Gemüse- und Obstanbaus unterstützt, sollte es mit der Rückzahlung wenig Probleme geben.

Kein Wunder also, dass diese Möglichkeit bei organisierten Frauen des Zentrums hoch im Kurs steht. Bisher einmalig ist jedoch, dass acht Frauen als Gruppe zusammenbleiben wollten und deshalb Land für alle suchten. Entsprechend schwierig war es, diesen Wunsch zu erfüllen. Immerhin sieben Jahre vergingen, bis die Frauen ein entsprechend großes und bezahlbares Stück Land kaufen konnten.

Doch ihr Traum hat sich erfüllt: Sie sind heute befreundete Nachbarinnen mit eigenem Land. Jede bewirtschaftet ihre eigene Parzelle, gemeinsam aber bilden sie sich mit Hilfe von »Xochilt Acalt« weiter. Und auf einem gemeinsam bewirtschafteten Stück Land bauen sie für die Trockenzeit Zusatzfutter für ihre Ziegen und Schafe an.

Wie unterschiedlich die Frauen bei der Bearbeitung ihrer Parzellen auch vorgehen, beeindruckend ist, was sie alle in der kurzen Zeit schon geschafft haben. Ana María Girón und Tomasa Mayorga zum Beispiel haben jeweils ein neues Haus und einen Brunnen mit Seilpumpe und Wasserbecken. Alles wurde durch Kredite von »Xochilt Acalt« finanziert, die Pumpen werden sogar in einer eigenen Werkstatt der Organisation hergestellt. Dass sie Wasser haben, ist ein Segen, denn damit steht und fällt die landwirtschaftliche Produktion. Der Weg zu ihren Grundstücken ist zwar schwer zu passieren. Ein Bach muss durchquert werden, der selbst in der Trockenzeit noch Wasser führt, dazu sind die Wiesen schlammig und nass. Doch das ist ihr Glück, denn man braucht nur wenige Meter in die Tiefe zu bohren, und schon stößt man auf Grundwasser.

So fällt auf ihren wie auf allen Grundstücken der »Neusiedlerinnen« auf, dass alles grün ist, überall wachsen Pflanzen, selbst Bäume sind schon in die Höhe geschossen. Ana María und Tomasa bauen auf ihren Parzellen schon jetzt acht verschiedene Gemüsesorten an, dazu kommen Kochbananen und Bäume mit Papaya und Zitrusfrüchten. Auch ein kleines Beet mit Heilkräutern und anderen medizinisch nutzbaren Pflanzen haben sie angelegt. Von deren Nutzen haben sie in Kursen bei »Xochilt Acalt« erfahren.

Besonders auffällig aber ist, dass fast alle Frauen Blumen vor ihren Häusern gepflanzt haben. Das ist hierzulande selten auf ländlichen Grundstücken, denn bei der armen Landbevölkerung hat der Anbau von Nahrungsmitteln Vorrang. Da müssen die Wohnverhältnisse und die Verschönerung der Umgebung in der Regel zurückstehen.

Zum Umdenken hat auch »Xochilt Acalt« beigetragen. So haben Tomasa und Ana María »casas dignas« (würdige Häuser). So nennt sich eine verbesserte Variante jener Häuser, die nach dem Wirbelsturm »Mitch« im Jahr 1998 von der Organisation mit Hilfe internationaler Organisationen, darunter INKOTA, gebaut wurden.

»Wenn die Frauen schon so viel verloren haben, dann sollen sie nach dem Wirbelsturm wenigstens bessere Häuser haben als vorher«, war die Devise. »Würdig« an diesen Häusern ist, dass Wohn- und Küchenbereich getrennt sind, damit der Rauch des Feuerholzes nicht das ganze Haus durchzieht. Außerdem wird in der verbesserten Küche weniger Holz verbraucht. Das gesamte Haus steht auf einem erhöhten Fundament und hat an der Vorderseite ein durchgehendes Vordach. So tritt man bei Regen nicht gleich in Schlamm und Pfützen und ist vor sengender Sonne geschützt.

Besucht man Tomasa oder Ana María, kann man sich bequem unter das Vordach in den Schatten setzen und ist von Blumen umgeben: »Würdig« ist also nicht nur das Haus, sondern auch dessen Umgebung. Diesen Umstand weiß man als Besucher aus einer kühleren Region besonders zu schätzen, denn eine »Landpartie« bedeutet in Nicaragua nicht selten, dass man in gleißender Sonne verzweifelt nach einem schattigen Plätzchen sucht.

»Xochilt Acalt« fordert und fördert

Auch Tomasa und Ana María genießen offensichtlich ihre neue Umgebung. »Das Einzige, was uns noch fehlt, sind Ställe für die Ziegen und Schafe«, sagen sie mit einem Schmunzeln. Diese Ställe sollen demnächst als Teil des gemeinsamen Projekts mit INKOTA gebaut werden.

Die beiden jungen Frauen haben die Kriterien für den Bau eines solchen Stalles erfüllt: Sie besitzen mehr als acht Tiere, haben sich als Tierhalterinnen bewährt und sind bereit, sich weiterzubilden. Der Stall ist deshalb ein »Geschenk«, die beiden Frauen müssen als Eigenleistung nur Bauhilfsarbeiten leisten, denn »Xochilt Acalt« arbeitet nach einem sehr differenzierten System von Krediten und unentgeltlicher Unterstützung. Die Frauen sollen einen Entwicklungsanreiz erhalten, ohne finanziell überfordert zu werden. Was die Nutzung eines neuen Stalls bedeutet, haben sie schon von anderen Frauen erfahren: »Die Ziegen geben dann doppelt soviel Milch. Und Ziegenmilch ist sehr gesund für unsere Kinder«, berichten die beiden jungen alleinerziehenden Mütter.

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