Auf dem Weg zur Klimagerechtigkeit

Umweltbewegung muss sich weiter organisieren und vernetzen, um künftig mehr zu erreichen

  • Alexis Passadakis, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.
Hunderttausend bei der Großdemo im eiskalten Kopenhagen und eine Aktionswoche inklusive zivilem Ungehorsam. Der UN-Klimagipfel stieß aus der Perspektive des Protestes in neue Dimensionen vor. Zwar entstanden auf Seiten der sozialen Bewegungen neue Koalitionen, von der Geburt einer neuen Bewegung zu sprechen wäre allerdings noch verfrüht.

Die Mobilisierung von Kopenhagen ist das Ergebnis einer veränderten Wahrnehmung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse: Die Klimakrise spitzt sich weiter zu und der Höhepunkt der Ölförderung (Peak Oil) ist bald erreicht. Deshalb verschiebt sich das politische Terrain. Mit dem UN-Klimagipfel in Kopenhagen ist daher die internationale Klimapolitik endgültig vom »weichen« zu einem »harten« Politikfeld avanciert. Die Anreise von 120 Staatschefs und 30 000 akkreditierten Vertretern von Nichtregierungsorganisationen und Lobbyisten, darunter allein 440 von der Internationalen Assoziation von Emissionshandelsunternehmen (IETA), machte klar, dass es nun nicht mehr »nur« um Umweltpolitik geht, sondern um Kernfragen von Ökonomie und Geopolitik.

Die ökologische Frage wird deshalb (wieder) als soziale verstanden. Zu den etablierten Umweltorganisationen stießen das erste Mal bei einer Klimakonferenz auch soziale Bewegungen wie Via Campesina, der weltweit größte Kleinbauernverband, globalisierungskritische Organisationen sowie linke und antikapitalistische Gruppen hinzu. Trotz der insgesamt großen Zahl von Aktiven und unzählbaren Aktionen war Kopenhagen aber keine fulminante Premiere einer neuen Bewegung für Klimagerechtigkeit. Anders als die Proteste 1999 in Seattle gegen die Welthandelsorganisation (WTO) für die globalisierungskritische Bewegung. Was diesen geopolitischen Moment in Seattle ausmachte, war die demonstrative Einigung unterschiedlichster sozialer Bewegungen auf einen minimalen und pluralistischen aber wirkungsvollen anti-neoliberalen Grundkonsens. Verbunden war all dies mit der Identifizierung von Gegnern, wie der WTO, dem Internationalen Währungsfonds und der transnationalen Konzerne.

Diese Voraussetzungen fehlten jedoch in Kopenhagen. Für viele der Demonstrierenden gab es überhaupt keinen Gegner, sondern die Hoffnung, dass die Staatschefs ein ambitioniertes Klimaschutzabkommen aushandeln mögen. Viel Bekenntnis, wenig Politik. Ein anderer Teil identifizierte die weiterhin auf Wirtschaftswachstum orientierten Regierungen und eine auf Marktmechanismen basierende Politik, wie den Emissionshandel, und damit den UN-Prozess als Teil des Problems. Die geplanten, aber nur teilweise erfolgreichen Aktionen zivilen Ungehorsams waren darauf gerichtet, genau diesen Antagonismus sichtbar zu machen und das Feld Klimaschutz als Frage von Klassen-, Geschlechter und anderen Machtverhältnissen zu politisieren.

Ohne Zweifel haben das Konzept von Klimagerechtigkeit und die damit verbundenen Proteste Akzente setzen können. Für mehr fehlt einer neuen Bewegung jedoch noch die strategische Tiefe. Dazu würden eine größere Dichte von aktivistischen Gruppen, mehr Strukturen, die als Bewegungs-Think-Tanks dienen und engere Netzwerke mit kritischen Gewerkschaftlern gehören. Ein Pendant zum Weltsozialforum als Ausweis unabhängiger Kontinuität der altermondialistischen Bewegung ist ebenfalls nicht in Sicht.

Allerdings könnte das offensichtliche Scheitern des Gipfels die Entwicklung einer solchen neuen Bewegung für Klimagerechtigkeit befördern und die Saat aufgehen lassen. Dazu müssen jedoch noch mehr Menschen tatsächlich in Bewegung kommen und Kampagnen auf den nationalen Ebenen die Frage einer sozial gerechten und damit effektiven Klimapolitik aufwerfen.

Unser Autor ist attac-Mitglied und engagiert sich beim globalen Netzwerk Climate Justice Action.

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