Pannen kratzten die Gesundheit an

Sachsen-Anhalt: SPD-Sozialministerin Gerlinde Kuppe geht / Viele Probleme im Ministerium

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Nur der Zeitpunkt überraschte noch: Die Sozialministerin von Sachsen-Anhalt Gerlinde Kuppe tritt zum Jahresende zurück. Das Ministerium der SPD-Frau hatte zuletzt unter kaum noch endender Kritik zu leiden.

Die harsche Forderung war nicht auf sie gemünzt, dennoch scheint es, als habe sich Gerlinde Kuppe einen Satz zu Herzen genommen, den ihr Parteichef Sigmar Gabriel am Wochenende auf dem Landesparteitag der Genossen in Magdeburg sagte. Wähler hätten den Anspruch, dass sich vor allem bezahlte SPD-Politiker auch professionell verhielten. »Wenn einer das nicht hinkriegt«, verlangte der Bundeschef, »muss man einen anderen nehmen.« Beobachter werteten die Forderung als unverbrämte Kritik am später abgewählten SPD-Landesvorsitzenden und Innenminister Holger Hövelmann, in dessen Ressort es häufig Pannen gab. Das Kabinett verlassen wird eine andere: Kuppe tritt zum Jahresende ab.

Auch das Ministerium für Gesundheit und Soziales, das Kuppe mit vierjähriger Pause insgesamt elf Jahre lang leitete, sorgte zuletzt immer häufiger für unliebsame Schlagzeilen – was bei langjährigen Beobachtern für Verwunderung sorgt. In ihrer ersten Amtszeit von 1994 bis 2002 galt die promovierte Chemikerin aus Halle, die 1989 zur SPD gekommen war, als entschlossen und durchsetzungsstark: »Sie wusste genau, was sie will«, erinnert sich Detlef Eckert, Sozialpolitiker in der LINKEN; es habe Zeiten gegeben, da »lag ihr das Haus zu Füßen«, sagt seine Fraktionskollegin Birke Bull.

Seit Kuppe jedoch den Posten in der Koalitionsregierung mit der CDU ab 2002 erneut übernahm, sei sie führungsschwach gewesen; zudem habe sie falsche Personalentscheidungen getroffen und »die Signale aus dem Sozialausschuss nicht zur Kenntnis genommen«, sagt Eckert. Kommunikation, sagen andere, sei nicht Kuppes Stärke gewesen; womöglich auch deshalb sei sie zuletzt »von der eigenen Fraktion demontiert worden«.

So häuften sich die Pannen. Erst vor vier Wochen musste ein Millionenloch bei den Berechnungen des Doppeletats 2010 / 11 eingeräumt werden, es war bereits die zweite Rechenpanne im Jahr 2009. Ebenfalls vor kurzem trennte sich Kuppe von Staatssekretärin Christiane Dienel, einer renommierten Wissenschaftlerin, die im Ministerium aber nie Fuß fasste und zu ihrer Chefin keinen guten Draht hatte, was sich offenbar fatal auf den Verwaltungsbetrieb auswirkte. Es war bei weitem nicht die einzige Personalie, bei der sich Kuppe als glücklos erwies: Ihr Vorschlag für eine Frauenbeauftragte wurde vom Koalitionspartner abgeblockt; es gab langes Tauziehen.

Auch fachlich ging im Sozialministerium zuletzt etliches schief. Kuppe erlitt mit Vorstößen zum Nichtraucherschutz wie zum Kinderschutz Bauchlandungen, unter anderem, weil ihr der Rückhalt in der eigenen Landtagsfraktion fehlt. Porträts in der Presse zeichneten das Bild einer isolierten, Ratschlägen gegenüber nicht wirklich aufgeschlossenen Ministerin. Ernüchterung war die Folge. Als das sieben Millionen Euro große Loch im Entwurf des Doppelhaushalts auftauchte, wurde der Sprecher Kuppes mit der Einschätzung zitiert, in der »Summe der Fehler und Pannen hat das Bild des Ministeriums in der Öffentlichkeit gelitten«.

Weil die Fehler und Ärgernisse die kritische Masse überschritten hatten, wurde mit einer Auswechslung Kuppes längst gerechnet; dass diese jetzt kurz vor Weihnachten erklärte, zum Jahresende gehen zu wollen, kam freilich überraschend. Kuppe hatte am Montag um 16.11 Uhr mitteilen lassen, sie lege ihr Amt nieder, und dafür gesundheitliche Gründe angeführt. Sie könne, erklärte die 64-Jährige, »nicht garantieren, dass ich die vermehrten Anstrengungen, wie sie von mir bis zum Ende der Legislatur erwartet werden und wie ich sie mir selbst wünsche, zu 100 Prozent erfüllen kann«. Nachfolger soll nun der 59-jährige Magdeburger Sozialpolitiker Norbert Bischoff werden, erklärte die SPD anderthalb Stunden später.

Oppositionspolitiker halten die Gründe für plausibel: Wer permanent in der Kritik steht, »wird irgendwann krank daran«, heißt es. Zugleich allerdings wird der scheidenden Ministerin Respekt gezollt, etwa für ihr durchaus umstrittenes Agieren bei der Revision der Sportförderung, wo in den undurchsichtigen Strukturen enorme Summen versickert waren. »So eine Baustelle zu eröffnen, verlangt viel Mut«, sagt Birke Bull. Weil Kuppe diesen bewies, habe sie sich, fügt Bull »ohne jeden Zynismus« an, »den Ruhestand richtig verdient«.

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