Strukturelle Formalie

Thüringen: Gründung eines »Mehr Demokratie e. V.«-Landesverbands

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Landesverband des Vereins Mehr Demokratie e. V. soll die Kräfte der Mitglieder im Freistaat bündeln.

Nach über zehnjähriger Bündnisarbeit für mehr direkte Demokratie in Thüringen wird sich Ende kommender Woche in Neudietendorf bei Erfurt ein Landesverband des Vereins Mehr Demokratie e. V. gründen. Dies bestätigte der Eisenacher Theologe Ralf-Uwe Beck am Montag auf ND-Anfrage. Beck war in den letzten Jahren als Sprecher des Volksbegehrens »Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen« in Erscheinung getreten und sieht in der Gründung des Landesverbandes vor allem eine notwendige Formalie, um die rund 85 Einzelmitglieder des Vereins im Freistaat besser zusammenzufassen und gezielter auf die Arbeit im Bundesverband einzuwirken.

Davon unberührt werde das 1998 gegründete und aus 20 Organisationen bestehende Bündnis für »Mehr Demokratie in Thüringen« auf jeden Fall weitermachen, betonte Beck. In diesem Zusammenschluss sind neben Gewerkschaften, Jugendorganisationen, Initiativen, Umwelt-, Frauen- und Sozialverbänden auch Linkspartei, SPD und Grüne aktiv. Sein Verein Mehr Demokratie e. V. werde darin auch künftig als gleichberechtigter Partner wirken, so Beck, der die Atmosphäre im Bündnis als außerordentlich konstruktiv bezeichnete: »Alle Beteiligten haben über viele Jahre hinweg an einem Strang gezogen.« Beck, der nach der Thüringer Landtagswahl im vergangenen Sommer als möglicher Kompromisskandidat für das Ministerpräsidentenamt einer rechnerisch möglichen rot-rot-grünen Koalition genannt worden war, möchte nach eigenen Angaben für den Landesvorstand kandidieren.

Größter Erfolg seit Bestehen des Bündnisses war im Frühjahr 2009 die Durchsetzung neuer Regeln mit niedrigeren Hürden für Bürgerbegehren, Bürgerentscheid und Einwohnerantrag. Dass der Erfurter Landtag – damals noch mit absoluter CDU-Mehrheit – schließlich wenige Monate vor der Landtagswahl das entsprechende Volksbegehren »Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen« annahm und in diesem Sinne Widersprüche in der Kommunalordnung ausbügelte, war Ergebnis massiven Drucks von unten.

Durch unermüdlichen Einsatz von 2000 Helfern hatten sich 2008 über 250 000 Thüringer dem Volksbegehren »Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen« angeschlossen. Doch erst nach einem monatelangen Konflikt gab die CDU 2009 nach und verzichtete wieder auf die im Oktober 2008 eilig beschlossene Einführung der Amtseintragung. Dabei handelte es sich um eine Bestimmung, wonach die Bürger ihre Unterschrift unter ein Bürgerbegehren nur durch persönliches Erscheinen im Rathaus leisten konnten. Das Bündnis hatte dies als »Zumutung und als Siebenmeilen-Schritt zurück« kritisiert. Somit gilt nun wieder die freie Unterschriftensammlung.

Mit dem Landtagsbeschluss wurden die Hürden für Bürgerbegehren deutlich gesenkt. In freier Sammlung müssen mindestens sieben Prozent der Stimmberechtigten unterschreiben, maximal 7000. Bürgerbegehren sind auch auf Landkreisebene möglich und können sich auch auf Abfallwirtschaft, Schulnetzplanung oder Öffentlichen Personennahverkehr beziehen.

Für einen Einwohnerantrag, der ein Thema auf die Tagesordnung des Gemeinderats setzt, genügt ein Prozent, maximal 300 Unterschriften. Unterschreiben können auch Jugendliche ab 14 sowie ausländische Mitbürger. Von dieser neuen Regelung wurde in Thüringen bereits mehrfach Gebrauch gemacht, so etwa in Gera, wo ein Einwohnerantrag zur völligen Aufhebung des Hundeverbotes in der Grünanlagensatzung vom Stadtrat allerdings abgelehnt wurde.

Beck kritisiert, dass viele der am 7. Juni 2009 gewählten Gemeinderäte in Thüringen noch mit der alten Gemeindeordnung vom Februar 2009 ausgestattet seien und nicht mit Informationen auf dem neuesten Stand. Es sei eine staatliche Aufgabe, diese Informationslücke dringend zu schließen. Mehr Demokratie e. V. hat allerdings auch hier zur Selbsthilfe gegriffen und bietet einen Leitfaden zum Download an

www.thueringen.mehr-demokratie.de

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