nd-aktuell.de / 06.01.2010 / Kultur / Seite 14

Gott raucht

Zé do Rocks »lexikon üba vorurteile«

Michael Kegler

Jede Sekunde stirbt ein Nichtraucher. Wie wahr, wird man sagen und vielleicht schmunzeln über den Kalauer – oder sich ärgern. Je nach Einstellung und Gemütszustand. Zé do Rock polarisiert auf seine eigene Weise; man könnte ihn ignorieren, tut es aber dann doch nicht.

Vor fast 15 Jahren schickte sich der in München lebende Brasilianer mit seinem ersten Buch – einem autobiographischen Roman namens »fom winde ferfeelt« – an, die deutsche Rechtschreibung zu reformieren und landete damit prompt in zahlreichan Talkshows. Daraufhin hängte er seinen Job als Taxifahrer an den Nagel, spazierte ins Atelier einer Starfotografin und brachte sie dazu, ihn abzulichten: Zé do Rock auf der Straße sitzend, vor sich einen Hut und ein Schild: »Ich bin Schriftstella«. Fortan war er einer …

2008 (und zwei, drei Bücher später) begab sich der »Schriftstella« erneut auf die Straße und trat öffentlich in einen Champagner-Streik gegen Raucherhetze. Es gibt Fotos davon: Zé do Rock auf einem Campingstuhl, mit einem Sonnenhut auf dem Kopf und neben sich ein Schild: soundsovielter Tag ohne Champagner. In seinem neuesten Buch ist dokumentiert, wie die Münchener Stadtpolizei versuchte, ihn zu vertreiben, doch ein Mann auf einem Campingstuhl ist keine Versammlung im Sinne des (verschärften) Versammlungsgesetzes, muss also als solche nicht angemeldet werden und kann deswegen auch nicht aufgelöst werden. Wie sollte man auch eine Ein-Mann-Demonstration auflösen?

Doch während die Leute noch schmunzeln, ist Zé do Rock schon wieder einen Schritt weiter. Vor ein paar Jahren lud man ihn zum heiteren Talk im Bildungsfernsehen ein und er dozierte stundenlang über Grammatikregeln, während eine zunehmend verzweifelnde Moderatorin vergeblich versuchte, ihm wenigstens ein paar Witze zu entlocken. Für die Zuschauer war das komisch. Für die Sendung garantiert ein Fiasko. Der beste Clown ist jener, der an der entscheidenden Stelle mal keinen Witz macht.

So ähnlich funktioniert auch sein »lexikon üba vorurteile un andere teile« mit dem oben genannten provokanten Titel. Ja natürlich, es ist auch ein Plädoyer für das Rauchen (lassen). Für Toleranz und gegen Hetze jeder Art. George Bush brauchte keine Beweise, um Irak zu bombardieren, ihm genügte die Absicht und eine Vermutung, und »Wissen« sei selten mehr als ein allgemein akzeptierter Glaube, sagt Zé do Rock. Das illustriert er mit absurden Erlebnissen rund um das Rauchen, das Reisen, den Alltag im Allgemeinen. Ja, und er bürstet die deutsche Sprache auch weder gegen den Strich, quirlt sie durch und nimmt sie (in seiner selbst erfundenen, verblüffend leicht lesbaren Rechtschreibung) beim Wort: »Würdenträger sin leuti, die gern ir gepak tragen würden. Da sich aber andris dafür anbiten, mishen si sich lieba nit ein.«

Und schließlich driftet er auch diesmal gekonnt ins Literarische ab, landet am Ende sogar kurzzeitig in der Hölle, wo ein nerviger Gesundheitsapostel namens Adolf seit 1945 allen Insassen das Rauchen abgewöhnen will, während im Nichtraucherhimmel Gott selbst ab und an eine Zigarre »schmaucht« – ganz ohne Angst, daran zu sterben.

Zé do Rock: jede sekunde stirbt ein nichtraucher. a lexikon üba vorurteile un andere teile. A1 Verlag. 272 S., geb., 18,80 €.