Öffentliches Dazwischenhauen haben wir genug

Gesine Lötzsch über die Linkspartei, Lafontaine und die Hoffnung auf neuen Schwung

  • Lesedauer: 5 Min.
Gesine Lötzsch hat die Fahne der PDS gemeinsam mit Petra Pau im Bundestag auch hochgehalten, als ihre Partei 2002 den Wiedereinzug verpasste. Das war nicht immer leicht, hat der Philologin aber vielleicht auch zu jener gewissen Gelassenheit verholfen, mit der sie die heutigen Querelen in der LINKEN betrachtet. Mit der 48-Jährigen sprachen Gabriele Oertel und Jürgen Reents.
Gesine Lötzsch
Gesine Lötzsch

ND: In den letzten Tagen deutet alles auf einen handfesten Streit zwischen Ost- und West-LINKEN hin. Landesverbände aus NRW und Baden-Württemberg fordern Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch zum Rücktritt auf, Ost-Linkspolitiker halten dagegen. Steht die LINKE vor der Spaltung?
Lötzsch: Das glaube ich nicht. Aber die LINKE muss sich auf politische Schwerpunkte einigen und die unterschiedlichen Aufgaben, die sie in Ost und West hat, miteinander lösen – und nicht gegeneinander.

Das Setzen von Schwerpunkten wie auch das Miteinander finden gegenwärtig unzureichend statt?
Ja und darum haben wir uns ja auch als Fraktion entschlossen, zu einem politischen Jahresauftakt am Montag in die Kongresshalle einzuladen. Dort wollen wir uns mit den uns gestellten politischen Aufgaben beschäftigen. Es geht da ganz konkret um die Frage, wie Menschen wieder in Arbeit kommen und gute Arbeit gestaltet werden kann. Ein zentrales Thema der LINKEN wird 2010 die Wiedergewinnung des Öffentlichen sein, also die Rekommunalisierung. Da haben wir in Berlin schon Vorschläge präsentiert. Und natürlich bleibt unser ganz zentrales Thema: Raus aus Afghanistan. Wir sehen ja, dass uns andere Parteien mittlerweile folgen und könnten dies durchaus selbstbewusster in die Öffentlichkeit tragen. Wenn selbst Herr Guttenberg von der CSU sagt, man muss einen Plan haben, wie die Bundeswehr aus Afghanistan abzieht, nähert er sich zumindest unseren Konditionen.

Die Veranstaltung am Montag war auch gedacht, um Oskar Lafontaines Rückkehr nach der Krankheit zu feiern – also 2010 nicht nur inhaltlich abzustecken, sondern auch personell. Das findet nun nicht statt. Wird die Veranstaltung an Wert verlieren?
Ich glaube nicht. Wir, die wir die Veranstaltung vorbereitet haben, waren vielleicht alle ein bisschen zu optimistisch und müssen akzeptieren lernen, dass man nach einer Krankheit ausreichend Erholung braucht, um in guter Form wieder auftreten zu können. Solange Oskar Lafontaine sich erholen muss, müssen wir seine Aufgaben mit erfüllen.

Rechnen Sie damit, dass Lafontaine im Mai wieder für den Parteivorsitz kandidieren wird?
Das muss er selbst entscheiden und auch selbst bekannt geben. Ich würde es mir wünschen. Er hat ja nicht nur für die LINKE viel verändert, sondern für die Politik in der Bundesrepublik insgesamt.

Einer der Grundkonflikte zwischen Bartsch und Lafontaine ist die vom Saarländer vorgeschlagene Doppelspitze, die Bartsch mit Verweis auf eine andere Kultur im Osten ablehnt. Wie finden Sie als Ost-Linke den Vorschlag?
Auf der Fraktionsklausur hat Oskar die Vorschläge zur Doppelspitze mit zwei Argumenten begründet – dem Ost-West–Proporz und der Möglichkeit, dass sich Menschen in Führungsverantwortung qualitativ entwickeln können. Ich finde das einen guten Vorschlag. Er muss nur von der Partei entsprechend angenommen werden, unsere Satzung sieht das bisher nicht vor.

Das Frauenplenum ist bisher zu keinem Ergebnis gekommen. Wird es einen Vorschlag geben?
Das Frauenplenum der Fraktion will zurecht der Entscheidung der Partei nicht vorgreifen. Wir wollen uns prinzipiell für eine Doppelspitze einsetzen, aber keinen Zeitdruck entwickeln. Und dann ist so etwas immer an konkrete Personen gebunden. Da sollte die LINKE aus der Erfahrung von Doppelspitzen anderer Parteien lernen. Die Personen, die eine Doppelspitze bilden, müssen zueinander Vertrauen haben, mit- und nicht gegeneinander arbeiten.

Zum Konflikt beigetragen hat auch die nicht von Bartsch, sondern von Bodo Ramelow initiierte Nachfolgedebatte – als Lafontaine seine Krankheit öffentlich machte. Der Zeitpunkt war stillos. Dennoch: Muss die LINKE nicht Nachfolgedebatten führen?
Das ist richtig. Ich glaube, dass wir nicht nur Nachfolgedebatten für Spitzenpositionen führen müssen, sondern insbesondere unseren Nachwuchs qualifizieren müssen. Aber man kann Nachfolgediskussionen auch zur Unzeit führen und sich dann darüber zerstreiten. Das ist etwas, was die Wähler überhaupt nicht akzeptieren.

Sie sollen einen guten Draht zu Lafontaine haben. Hat ihn diese Nachfolgedebatte gekränkt?

Na klar, noch dazu in der konkreten Situation. Wer krank ist, ist auch psychisch belastet. Und wenn die anderen dann sofort über die Nachfolge reden, ist das freilich eine tiefe Kränkung. Zumal er die Partei, verglichen mit der Bundestagswahl 2005, zu einem großen Erfolg geführt hat.

Nur Lafontaine allein?
Wenn wir unsere Wahlergebnisse von 2002, 2005 und 2009 vergleichen, muss man sagen, dass die Aufwärtsentwicklung mit ihm zusammenhängt. Klar ist, dass es ohne die Partei nicht gegangen wäre. Wir haben in den Wahlkämpfen viele Mitglieder gewonnen und in den Kommunen mehr als 6000 Mandate errungen.

Macht sich aber die frühere PDS, mit dem, was sie bis 2005 geleistet hat, nicht zu klein?
Nein. Tatsache ist, dass wir es 2002 und bis 2005 nicht geschafft haben, im Westen relevante Ergebnisse zu erreichen. Wir haben Stabilität im Osten, aber der auch von mir erwartete Sprung in den Westen blieb aus. Selbst in Berlin sind wir erst seit Kurzem in allen Wahlkreisen deutlich erstarkt, obwohl wir immer präsent waren. Der Erfolg im Westen ist absolut mit Lafontaine verbunden.

Geht es bei den Auseinandersetzungen nicht vielmehr darum, ob die LINKE mitregiert oder nicht?
Natürlich. Ich glaube, da wird Oskar oft falsch interpretiert. Uns allen geht es auch darum, mit SPD und Grünen andere Mehrheiten zu gewinnen. Unser Gegner ist Schwarz-Gelb. Wir müssen uns neue Optionen eröffnen – ohne unser politisches Profil zu verlieren.

Muss es Lafontaine als absoluten Politprofi nicht stören, dass die Partei nur auf ihn wartet?
Ich denke, die Partei ist klug genug zu wisssen, wie wichtig Oskar für die weitere Entwicklung ist. Die Partei wird auf Oskar warten, dabei aber nicht aufhören, ihre Arbeit für die Menschen in unserem Land zu machen.

Wäre es Zeit, dass bei dieser Streiterei unter Männern eine resolute Frau dazwischenhaut?
Öffentliches Dazwischenhauen haben wir jetzt schon genug. Vielleicht bringen wir ja am Montag die Sache inhaltlich voran – und unserer Partei neuen Schwung.

Das hört sich resolut an.
Ich denke, ich habe bisher versucht, konstruktiv in der Partei Dinge nach vorne zu bringen und werde das weiter versuchen.

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