Der Kopfpauschale die Stirn bieten

  • Monika Knoche
  • Lesedauer: 3 Min.
Die frühere Bundestagsabgeordnete ist gesundheitspolitische Referentin beim Bundesvorstand von ver.di.
Die frühere Bundestagsabgeordnete ist gesundheitspolitische Referentin beim Bundesvorstand von ver.di.

Der neue Gesundheitsminister Rösler will das ganze Gesundheitswesen einer umfassenden Änderung unterziehen und beruft sich dabei auf den Koalitionsvertrag. In diesem steht, dass Schwarz-Gelb mit der bisherigen Finanzierung der gesetzlichen Kassen brechen will. Die Absage an das solidarische System hat einen Namen: Die Kopfpauschale. Die Freien Liberalen haben sich zum Wortführer für diese Idee der Ungleichheit gemacht.

»Umdenken sei erforderlich«, um »langfristig das bestehende Ausgleichssystem (...) in einkommensunabhängige Arbeitnehmerbeiträge zu überführen«, heißt es im Regierungsauftrag. »Eine weitgehende Entkoppelung der Gesundheitskosten von den Lohnnebenkosten« soll »erreicht werden«, wobei der »Arbeitgeberanteil fest« bleiben soll.

Der Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung und der einheitliche Beitrag für alle Mitglieder schafft keine Gerechtigkeit, sondern im Gegenteil, wie auch der stellvertretende CDA-Chef Dr. Bäumler dazu feststellte, »eine Gerechtigkeitslücke.«

Niemand kann es als gerecht empfinden, wenn Geringverdienende die Krankheitskosten der Besserverdienenden mit bezahlen sollen, diese aber aus allgemeinen Steuermitteln bezuschusst werden. Wären alle, also auch Bankdirektoren, tatsächlich Mitglieder der GKV, wäre von einer Vorgängerregierung die Forderung nach Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze erfüllt worden, dann wären viele Finanzierungsprobleme schon gelöst. Doch Einnahmeausfälle durch z. B. offene und verdeckte Arbeitslosigkeit, durch Niedriglohnsektor und verhaltene Lohnabschlüsse haben, wie auch andere gesetzliche Neuregelungen im Sozialrecht, die Finanzen der Kassen geschmälert.

Was die Regierung als »Umdenken« vorgedacht hat, würde eine Reihe von Nachsteuerungen nach sich ziehen. Dies hätte mit der Idee vom schlanken Staat, den die FDP propagiert, nichts mehr zu tun. Denn er müsste steuernd mit Steuermitteln eingreifen. »Von gesamtstaatlichen flankierenden Maßnahmen« ist die Rede, um die Ungerechtigkeiten auszugleichen, die durch die Kopfpauschale geschaffen würden. Und wer müsste diese Steuerlast schultern? Deutschland ist weit entfernt von einem gerechten Steuersystem. Unternehmen und Profiteure der neoliberalen Steuerpolitik würden ein weiteres Mal aus der Solidarpflicht freigestellt. Die Steuerlast der Geringverdienenden aber nähme zu.

Abhängig vom Finanzminister Bittstellerinnen der Politik zu sein, das wäre die neue Rolle ehemals in Selbstverwaltung versicherter Mitglieder der gesetzlichen Kassen. Die GKV stünde ohne »krisenfeste Finanzierung« da. Die neue Maxime lautet: Von der relativen Autonomie der Kassen zu einem Fürsorgesystem mit einem willkürlichen Vater Staat. Das ist das Selbstverständnis der schwarz-gelben Koalition.

Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, aber auch finanzielle Stabilität insbesondere in der Krise gibt es nachweislich nur mit einer Bürger- und Bürgerinnenversicherung, an der alle prozentual am Einkommen beteiligt sind. Den Arbeitgebern muss die Parität als Sozialstaatsgarantie auferlegt werden.

Noch gibt es keinen Gesetzentwurf zur Kopfpauschale. Noch streitet sich die Koalition. Doch wie die Einigung zum Wirtschaftsbeschleunigungsgesetz gezeigt hat, kann es schnell ernst werden.

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